Wendt stellt den Satz auf, für die Sittenwidrigkeitskontrolle spiele es keine Rolle, ob Pflichtteilsbeeinflussungen in "guter" oder in "böser" Absicht erfolgen.[14] Indessen dürfte es als allgemein anerkannt gelten, dass Beweggrund und Zweck eines rechtsgeschäftlichen Verhaltens für dessen Beurteilung anhand von § 138 Abs. 1 BGB von wesentlicher Bedeutung sind. Auch der BGH bewertet regelmäßig die Absicht der Beteiligten, nicht zuletzt in seiner Judikatur zur Sittenwidrigkeit familienrechtlicher Gestaltungen, mit denen der Zugriff des Sozialhilfeträgers vereitelt werden soll.[15] So gesehen lässt sich der genannte Satz nicht ohne Weiteres aufrechterhalten.

Richtigerweise ist die Frage dahin zu stellen, ob ein "böser" Zweck durch ein zugleich vorhandenes "gutes" Motiv zumindest neutralisiert wird, sodass per saldo das Handeln nicht zu missbilligen ist. Konkret gewendet: Es geht darum, ob der Zweck der Gestaltung, den Zugriff des Sozialhilfeträgers zu vereiteln, durch das zugrunde liegende Motiv, den mit dieser Vereitelung verbundenen wirtschaftlichen Vorteil dem Kind zuzuwenden, ausgeglichen wird.

Diese Frage ist nach der hier vertretenen Ansicht in vielen Fällen zu verneinen (zur erforderlichen Gesamtwürdigung s. sogleich sub IV). Dafür ist es bedeutsam, dass der "böse" Zweck, den Zugriff des Sozialhilfeträgers zu vereiteln, notwendig auf eine Benachteiligung der Allgemeinheit gerichtet ist, während das "gute" Motiv auf eine eigennützige Vermögensmehrung abzielt, indem dem Kind aus Steuermitteln zusätzliche Vorteile verschafft werden sollen, auf die es ohne die besondere rechtsgeschäftliche Gestaltung nach dem Grundsatz des Nachrangs der Sozialhilfe (§ 2 SGB XII) keinen Anspruch hätte.[16] Hierin liegt ein entscheidender Unterschied zu dem Fall, dass durch eine erbrechtliche Gestaltung wie etwa einen Pflichtteilsverzicht lediglich einem Individuum etwas genommen und zugleich einem anderen etwas gegeben werden soll; in derartigen Fällen kann der Zweck in der Tat "aussageneutral"[17] sein.

[14] Wendt, ZErb 2012, 262, 264, 267.
[15] Etwa BGH NJW 2007, 904, 906 Rn 22; s. dazu noch bei Fn 42.
[16] Lesenswert hierzu OLG Hamm ZErb 2009, 329.
[17] Wendt, ZErb 2012, 262, 264.

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