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Der klassische Austausch anwaltlicher Schriftsätze und ein sich womöglich anschließendes Gerichtsverfahren werden den Bedürfnissen der Parteien erbrechtlicher Streitigkeiten häufig nicht gerecht. Nicht selten liegt dies an einer wenig verfahrensoffenen anwaltlichen Beratung. Es wäre im Sinne aller Beteiligten, wenn die Mediation häufiger als alternative Verfahrensoption erwogen würde.

I. Einleitung

Erbstreitigkeiten bieten alles, wovon Juristen träumen: Komplexe Fälle, hohe Streitwerte, spannende Rechtsdogmatik und intensive menschliche Auseinandersetzungen. Was auf Ebene des materiellen Rechts häufig zu interessanten wie auch verzweigten Fragestellungen führt, ist auf der prozessualen Ebene entsprechend schwer zu handhaben. Erbrechtliche Konflikte ziehen sich häufig über Jahre hin, sie führen zu lange währendem anwaltlichen Schriftverkehr und werden vor Gericht regelmäßig nicht in einem Zuge, sondern in mehreren Etappen entschieden. Das wirft die Frage auf, welche Instrumente des alternativen Konfliktmanagements sich für erbrechtliche Fälle eignen und sich zum Nutzen der Mandanten einsetzen lassen.

Im Bereich der alternativen Streitbeilegung hat die Mediation in den vergangenen Jahren langsam, aber stetig an Bedeutung gewonnen. Der Gesetzgeber hat dies 2012 durch den Erlass des Mediationsgesetzes[1] und 2017 durch die Verordnung über die Aus- und Fortbildung von zertifizierten Mediatoren[2] unterstrichen. Ein Mediationsverfahren eignet sich sicher nicht für jegliche zivilrechtliche Auseinandersetzung in gleicher Weise. Allerdings spricht vieles dafür, dass erbrechtliche Konflikte in besonderer Weise für eine Streitbeilegung durch Mediation prädestiniert sind. Insbesondere die hohe Einigungschance, die kurze Verfahrensdauer und die Zufriedenheit der Mandanten weisen in diese Richtung. Dieser Beitrag beschreibt die Methode der Mediation als Konfliktlösungsverfahren (II.), ihre Anwendung in erbrechtlichen Fällen (III.) sowie ihren Nutzen für Mandanten einerseits und Anwälte andererseits (IV.). Der Beitrag schließt mit einem Ausblick (V.).

[1] Ein Überblick findet sich bei Risse, SchiedsVZ 2012, 244 ff; Ahrens, NJW 2012, 2465 ff; Thole, ZZP (127) 2014, 339 ff.
[2] Verordnung über die Aus- und Fortbildung zertifizierter Mediatoren (ZMediatAusbV); siehe dazu etwa Röthemeyer, ZKM 2016, 195 ff; Eidenmüller/Fries, AnwBl 2017, 23 ff; Plassmann, AnwBl 2017, 26 ff; Rennebarth, DStR 2017, 1843 ff.

II. Mediation als Konfliktlösungsverfahren

Erbrechtliche Konflikte haben ihren Ursprung in aller Regel in Beziehungsstörungen in der jeweiligen Familienhistorie. Es lohnt sich daher, für die Bewältigung dieser Konflikte nach Verfahren zu suchen, die die Beziehungen zwischen den Streitbeteiligten in besonderer Weise in den Blick nehmen.[3] Innerhalb des Spektrums dieser Verfahren spielt die Mediation eine hervorgehobene Rolle.

[3] Töben/Schmitz-Vornmoor, ZKM 2014, 15.

1. Definition und Wesensmerkmale der Mediation

Gemäß § 1 Abs. 1 MediationsG handelt es sich bei der Mediation um ein vertrauliches und strukturiertes Verfahren, bei dem die Parteien mit Hilfe eines oder mehrerer Mediatoren freiwillig und eigenverantwortlich eine einvernehmliche Beilegung ihres Konfliktes anstreben. § 1 Abs. 2 MediationsG beschreibt die Funktion des Mediators. Ein Mediator ist hiernach eine unabhängige und neutrale Person, die die Parteien durch die Mediation führt. Unter Zugrundelegung dieser gesetzlichen Definition ergeben sich folgende grundlegende Wesensmerkmale der Mediation:[4]

[4] Vgl. zum Ganzen auch die ausführlichen Darstellungen bei Eidenmüller/ Wagner in Eidenmüller/Wagner, Mediationsrecht, 2015, Kap. 1 Rn 8 ff; Greger in Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, 2. Aufl. 2016, § 1 MediationsG Rn 17 ff; Hagel in Klowait/Gläßer, Mediationsgesetz, 2. Aufl. 2018, § 1 MediationsG Rn 5 ff.

a) Eigenverantwortlichkeit

Ein besonderes und gleichzeitig auch das wichtigste Merkmal der Mediation ist die Eigenverantwortlichkeit der Konfliktparteien. Die Parteien legen Beginn und Ende des Mediationsverfahrens fest und bestimmen dessen Inhalte und Ziele.[5] Sie entscheiden somit, welche Themen sie im Verlauf des Mediationsverfahrens besprechen und ggf. problematisieren möchten und welche Lösungsoptionen sie als interessengerecht empfinden. Lösungen erarbeiten die Parteien selbst. Die Verantwortung für die Beilegung ihres Konflikts bleibt in ihrer Hand und damit auch unter ihrer Kontrolle. Der Mediator hat keine eigene Entscheidungsgewalt.

[5] Trenczek in Trenczek/Berning/Lenz/Will, Mediation und Konfliktmanagement, 2. Aufl. 2017, Kap. 1.1. Rn 25.

b) Freiwilligkeit

Die Teilnahme an einem Mediationsverfahren ist freiwillig. Anders als bei einem gerichtlichen Verfahren, in dem man zumindest als Beklagter nicht freiwillig über seine Parteirolle entscheiden kann, ist niemand gezwungen, an einem Mediationsverfahren teilzunehmen. Jede der Parteien kann das Mediationsverfahren im Übrigen grundsätzlich zu jeder Zeit abbrechen. Mediation ist immer nur eine weitere Möglichkeit, einen Konflikt zu beseitigen. Die Parteien können selbstverständlich jederzeit den Rechtsweg beschreiten.[6]

[6] Trenczek...

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