Kommt nach den vorgenannten Regeln französisches Recht zur Anwendung, so bedeutet dies, dass der gesamte, dem französischen Recht unterliegende Nachlass, als eigenständiger Nachlass ohne Berücksichtigung des sonstigen Nachlasses, abzuhandeln wäre.

 
Praxis-Beispiel

Stehen einem gesetzlichen Erben nach französischem Recht beispielsweise höhere Pflichtteilsansprüche zu als nach deutschem Recht, so wie dies bei Kindern der Fall ist,[5] erhält dieser, so im Beispielsfall 2., bezogen auf das französische Grundstück diesen höheren Anteil, während er am deutschen Grundstück den geringeren, sich nach deutschem Recht ergebenden Anteil erhält, ohne dass insoweit eine Kompensation stattfinden würde.[6]

Noch markanter ist der Unterschied für den überlebenden Ehegatten, dem nach französischem Recht bei Vorhandensein von Abkömmlingen überhaupt kein Pflichtteilsanspruch zusteht,[7] sondern der bis auf ein einjähriges Wohnrecht an einer gemeinsam genutzten, zum Nachlass gehörenden Ehewohnung und einen etwaigen Unterhaltsanspruch bei Bedürftigkeit vollkommen von erbrechtlichen Ansprüchen ausgeschlossen werden kann.[8]

Diese Rechtsfolgen können derzeit auch nicht durch eine antizipierende Rechtswahl vermeiden werden, da das französische Recht bis heute eine solche Rechtswahl nicht kennt. Die Zulassung einer solchen Rechtswahl mit der EU-ErbVO stellt deshalb einen weiteren Paradigmenwechsel im französischen Rechtssystem dar.

[5] So beträgt bei einem Kind die Pflichtteilsquote 1/2, bei zwei Kindern jeweils 1/3 und bei drei Kindern jeweils 1/4 und bei noch größerer Anzahl 3/4 dividiert durch die Anzahl der Berechtigten, Art. 913 Abs. 1 Code civil.
[6] Soweit hingegen das französische Gesetz vom 14.7.1819 zugunsten französischer Staatsangehöriger in Art. 2 sogar vorsieht, dass diese eine für sie günstige Pflichtteilsquote aus dem Weltnachlass berechnen und aus den in Frankreich belegenen Nachlassgegenständen entnehmen dürfen ("droit de prélèvement") hat die französische Cour consitutionnel diese Vorschrift inzwichen durch Entscheidung vom 5.8.2011, abrufbar unter http://www.conseil-constitutionnel.fr/decision/2011/2011-159-qpc/decision-n-2011-159-qpc-du-05-aout-2011.99406.html, wegen ungerechtfertigter Ungleichbehandlung für verfassungswidrig erklärt. Zu dem Rechtsstreit, der dieser Entscheidung zugrunde liegt, siehe näher unter B.3.1.
[7] Dies folgt im Umkehrschluss aus Art. 914-1 Code civil, der einen Pflichtteilsanspruch des überlebenden Ehegatten, und dann in Höhe von 1/4, nur für den Fall anordnet, dass keine Abkömmlinge vorhanden sind.
[8] Die Beschränkung auf ein nur einjähriges Wohnrecht, an Stelle des sonst bestehenden Dauerwohnrechts an einer solchen zum Nachlass gehörenden Ehewohnung, siehe dazu auch unter B.5. ist aber nur in der Form eines notariellen Testamentes zulässig, Art. 764 Abs. 1 Code civil.

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