Soweit ersichtlich, besteht keine einschlägige Stellungnahme des BGH. Es spricht zwar auf den ersten Blick einiges dafür, dass sich der BGH der vorgenannten Auffassung anschließen würde.[30] Die Rechtsprechung des BGH bezieht nämlich in die Berechnung der Haftungsgrenze des § 1586 b Abs. 1 S. 3 Pflichtteilsergänzungsansprüche des Unterhaltsberechtigten gegen den Erben ein.[31] Der BGH berechnet die Haftungsgrenze unter Berücksichtigung aller konkreten Sachverhaltsumstände so, als wäre die Ehe durch Tod und nicht durch Scheidung aufgelöst worden und als hätte der unterhaltsverpflichtete Erblasser den unterhaltsberechtigten (ehemaligen) Ehegatten enterbt.[32] Zur konkreten Pflichtteilsberechnung gehört auch dessen Herabsetzung auf Null durch Erb- oder Pflichtteilsverzicht. Indes stärkt diese BGH-Rechtsprechung die Rechtsstellung des unterhaltsberechtigten (ehemaligen) Ehegatten und verwirklicht damit den sozialen Schutzzweck des § 1586 b BGB. Daher erscheint mir völlig offen und keineswegs präjudiziert, wie der BGH zur Frage der Fernwirkung eines Erb- oder Pflichtteilsverzichts auf den nachehelichen Unterhaltsanspruch gemäß § 1586 b BGB entscheiden würde.[33]

Eine weit verbreitete Auffassung widerspricht der Theorie von der Fernwirkung mE zu Recht. Mit dem Erb- oder Pflichtteilsverzicht (zumal in der Scheidungsfolgenvereinbarung) will sich der unterhaltspflichtige Erblasser nur seine Testierfreiheit für die Zeit bis zur rechtskräftigen Scheidung verschaffen, denn bei Erfüllung der Voraussetzungen des § 1933 S. 1 BGB, spätestens jedoch mit rechtskräftiger Scheidung, entfällt das gesetzliche Erbrecht und damit der Pflichtteil ohnehin kraft Gesetzes.[34] § 1586 b Abs. 1 S. 3 BGB geht von einem fiktiven Pflichtteil aus, sodass ein Pflichtteilsverzicht seine Anwendung nicht ausschließen kann, da er nicht die Beschränkung des Unterhaltsanspruchs auf die Lebenszeit des Verpflichteten bezweckt und eine solche "Fernwirkung" von den Parteien des Verzichtsvertrags in der Regel nicht gewollt ist.[35] Das Gesetz ordnet die Fernwirkung nicht ausdrücklich an. Eine ausdrückliche Regelung ähnlich § 1414 BGB dergestalt, dass der vertraglich vereinbarte vorbehaltliche Verzicht auf das gesetzliche Erb- und Pflichtteilsrecht auch den Unterhaltsanspruch gegen die Erben entfallen lassen soll, fehlt.[36] Über die Auswirkungen eines Erb- oder Pflichtteilsverzichts auf den Unterhaltsanspruch hat sich der Gesetzgeber offenbar keine Gedanken gemacht.[37] Vereinbarten die Eheleute einen (nur) teilweisen Pflichtteilsverzicht, würde die Annahme einer Fernwirkung zu kaum praktisch handhabbaren Schwierigkeiten führen. Die Annahme einer Fernwirkung liefe zudem der mit dem Ersten Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts bezweckten "Vorsorge für den sozial Schwächeren"[38] zuwider.[39] Schließlich ist § 1586 b BGB eine Vorschrift des Unterhaltsrechts und nicht des Erbrechts.[40] Die Begrenzung des Unterhaltsanspruchs durch den fiktiven Pflichtteil ändert an der unterhaltsrechtlichen Natur des Anspruchs nichts.

[30] Diese Einschätzung findet sich bei Frenz, ZEV 2001, 115.
[33] Gleiche Einschätzung bei Staudinger/Baumann (Neubearbeitung 2014), § 1586 b Rn 36; Hahne in: FS Brudermüller (2014), 271, 274; aA Frenz, ZEV 2001, 115.
[34] Grziwotz, FamRZ 1991, 1258.
[35] Palandt/Brudermüller, § 1586 b Rn 8; BeckOGK/Everts, Stand 1.10.2016, § 2346 Rn 41.3; Hahne in: FS Brudermüller (2014), 271; Grziwotz, FamRZ 1991, 1258; Reimann in: FS Schippel (1996), 301, 307; Reul, MittRhNotK 1997, 373, 376; Pentz, FamRZ 1998, 1344; Schmitz, FamRZ 1999, 1569; Bergschneider, FamRZ 2003, 1049; J. Mayer, ZEV 2007, 556, 557; Münch, ZEV 2008, 571, 574 f; Muscheler in: FS Spiegelberger (2009), 1079, 1091; Damrau/Tanck/Kurze, Praxiskommentar Erbrecht, 3. Aufl. 2014, § 2346 Rn 38; Borth in: Schwab, Handbuch des Scheidungsrechts, IV Rn 1501; Münchener Anwaltshandbuch Erbrecht, Bengel/Spall, § 31 Rn 47; Rauscher, Familienrecht, § 23 Rn 641; Büttner in: Johannsen/Henrich, Eherecht, § 1586 b Rn 9; Staudinger/Schotten (2016), § 2346 Rn 66 f; jurisPK/Löffler, § 1586 b Rn 37; Ganz in: Schulz/Hauß, Familienrecht Handkommentar, § 1586 b Rn 7; Schnitzler in: Dauner-Lieb/Heidel/Ring, AnwK Bd. 4, § 1586 b Rn 10.
[36] Hahne in: FS Brudermüller (2014), 271, 274 f.
[37] Vgl. auch die Einschätzung von Dieckmann, NJW 1980, 2777.
[38] BT-Drucks. 7/650, S. 151.
[39] Hahne in: FS Brudermüller (2014), 271, 275.
[40] Grziwotz, FamRZ 1991, 1258.

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