Nach der überwiegenden Auffassung im Schrifttum gehen die Verteidigungsrechte als Fernwirkung des Pflichtteilsverzichts verloren.[12] Nach dieser Auffassung trägt der Erbe bzw. Vermächtnisnehmer, der auf den Pflichtteil verzichtet hat, die Pflichtteilslast der übrigen Pflichtteilsberechtigten, ohne dass ihm sein eigener Pflichtteil verbleibt. Dieser Auffassung ist zu widersprechen. Nach überzeugender Auffassung hat ein Pflichtteilsverzicht keine Auswirkungen auf die Verteidigungsrechte gem. den § 2318, 2319 und 2328 BGB.[13] Die Vorschriften der §§ 2318 Abs. 2 und Abs. 3, 2319 und 2328 BGB können in der hier maßgeblichen Passage "dass ihm sein eigener Pflichtteil verbleibt" zwanglos so verstanden werden, dass es sich nicht um den konkreten Pflichtteil handelt, der infolge Pflichtteilsverzichts auf Null reduziert ist, sondern um den abstrakten Pflichtteil, so wie dies bei dem Abstellen auf die abstrakte Pflichtteilsberechtigung im Sinne von § 2309 BGB anerkannt ist.[14] Wer von seinen Verteidigungsrechten Gebrauch macht, handelt im Einklang mit dem mutmaßlichen Willen des Erblassers.[15] Eine Schwächung der Verteidigungsrechte ist daher nicht Sinn und Zweck des Pflichtteilsverzichts.[16] Denn mit dem Pflichtteilsverzicht will der Erblasser Vorkehrungen dagegen treffen, dass der Verzichtende seinen Pflichtteil gegen den Willen des Erblassers durchsetzt. Die Gegenauffassung vermag nicht zu überzeugen, auch wenn sie bislang mehr Anhänger gefunden hat als die hier vertretene Auffassung. Entscheidend ist immer in erster Linie der Inhalt und die Auslegung des konkreten Pflichtteilsverzichtsvertrags. Insofern steht man auf gesichertem Boden mit der Erkenntnis, dass ein Pflichtteilsverzicht auch inhaltlich oder gegenständlich beschränkt werden kann. Demgemäß ist es rechtskonstruktiv ohne Weiteres möglich, einen Pflichtteilsverzicht dergestalt abzugeben, dass dieser sich nicht auf die Verteidigungsrechte bezieht. Ob die Verteidigungsrechte aus den §§ 2318, 2319, 2328 BGB im Pflichtteilsverzicht vorbehalten werden können, ist zwar strittig,[17] jedoch mE zu bejahen. Schließlich ist anerkannt, dass der Erblasser den Erben testamentarisch über die Reichweite des Verteidigungsrechts des § 2318 Abs. 3 BGB hinaus testamentarisch begünstigen kann und ihm mithin gegenüber Vermächtnisnehmern und Auflagenbegünstigten ein Kürzungsrecht über seinen eigenen Pflichtteil hinaus zuwenden kann.[18]

[12] Palandt/Weidlich, 76. Aufl. 2017, § 2346 Rn 16; Tanck, ZErb 2001, 194; Gutachten DNotI-Report 2013, 68, 69; BeckOK BGB/Litzenburger, 41. Ed., Stand 1.11.2016, § 2346 Rn 16; Kasper, in: Schlitt/Müller, Handbuch Pflichtteilsrecht, 1. Aufl. 2010, § 8 Rn 27 ff; J. Mayer, ZEV 2007, 556, 557 f; Dahlkamp, RNotZ 2014, 257, 272 f (zu § 2318 Abs. 2 BGB).
[13] Vgl. BeckOGK/Everts, Stand 1.10.2016, § 2346 Rn 48.3.
[14] Vgl. BeckOGK/Everts, Stand 1.10.2016, § 2346 Rn 48.3; aA Dahlkamp, RNotZ 2014, 257, 272. Zu § 2309 BGB vgl. BGHZ 189, 171 Rn 35.
[15] Vgl. zu Sinn und Zweck des Kürzungsrechts gem. § 2318 BGB Dahlkamp, RNotZ 2014, 257, 260.
[16] Vgl. BeckOGK/Everts, Stand 1.10.2016, § 2346 Rn 48.3.
[17] Wie hier Tanck, ZErb 2001, 194; aA J. Mayer, ZEV 2007, 556, 558, der hervorhebt, dass kein Pflichtteil verteidigt werden könnte, wenn auf ihn verzichtet wurde.
[18] Dahlkamp, RNotZ 2014, 257, 266 mwN.

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