Aus dem Zusammenspiel von Amtsermittlung, formellen Anforderungen an den Erbscheinsantrag, Verfahrensförderungspflicht der Beteiligten und der Beweislastverteilung folgt: Im Rahmen des Erbscheinsverfahrens gilt es verschiedene Stufen auseinanderzuhalten:

Zunächst müssen die Angaben der §§ 352 Abs. 1 und 2, 352 a FamFG gemacht werden.
Die Angaben müssen grds. durch öffentliche Urkunden bzw. eidesstattliche Versicherungen nachgewiesen werden, § 352 Abs. 3 FamFG.
Ist dies der Fall und bestreitet ein Beteiligter die so dargebrachten Umstände, so kann er dies – so nicht offenkundige Zweifel bestehen, die aus sich heraus das Gericht zur Amtsermittlung verpflichten – nicht durch pauschale Behauptungen ins Blaue hinein tun, sondern muss substanziiert und konkret Tatsachen vortragen, die Zweifel an den Angaben begründen, sprich qualifiziert bestreiten.
Erst wenn Zweifel solcher Art begründet wurden, muss das Gericht in eine Beweisaufnahme eintreten. Dabei gilt zunächst das Freibeweisverfahren; vertieft muss das Gericht einsteigen, wenn sich die Zweifel nicht zerstreuen, sondern eher zu erhärten scheinen. Ein Strengbeweis ist erforderlich, wenn es geboten erscheint, den Beteiligten einen persönlichen Eindruck und die Möglichkeit der Einwirkung (z. B. durch Befragung von Zeugen) auf die Beweisaufnahme zu geben. Bei einem streitigen Erbscheinsverfahren sollte idR das Strengbeweisverfahren angewandt werden. Die Beweisaufnahme ist fortzusetzen, bis das Gericht sämtliche ernsthaft in Betracht kommenden Beweismittel ausgeschöpft hat. Die Beweisaufnahme kann nicht – wie z. T. verkürzt dargestellt – vorzeitig beendet werden, wenn es bereits zu einem Ergebnis gelangt ist, denn dies könnte durch weitere Beweismittel wider erschüttert werden.
Sodann und erst jetzt hat das Gericht die Beweise zu würdigen. Dabei gelangt es zu einer Überzeugungsbildung, die nicht etwa mathematische Gewissheit verlangt, sondern vernünftigen Zweifeln Einhalt gebietet, und kann nunmehr den Fall entscheiden. Oder es besteht weiterhin Unsicherheit. In diesem Fall hat das Gericht auf die Beweislastregeln zu rekrutieren und hat hiernach zu entscheiden. Wichtig ist, dass das Gericht und nicht etwa ein Sachverständiger die Entscheidung trifft.

Auf jeder Stufe muss der Rechtsanwalt prüfen, was sein Mandant für Obliegenheiten zu erfüllen hat, bzw. wo Angriffspunkte gegen den gegnerischen Vortrag und das gerichtliche Vorgehen bestehen. Entscheidend ist, dass diese verschiedenen Stufen auseinandergehalten werden. Geschieht dies nicht, ist das mit Rechtsmitteln angreifbar.

Hinweis: Gemäß § 6 Abs. 1 FamFG gelten die §§ 41 bis 49 ZPO für die Ausschließung und Ablehnung einer Gerichtsperson entsprechend. Auch im Erbscheinsverfahren als FG-Verfahren kommt daher eine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit nach § 6 Abs. 1 FamFG iVm § 42 Abs. 1 und 2 ZPO in Betracht. Tatsächliche oder behauptete Verfahrensfehler, die einem Richter bei der Verfahrensleitung unterlaufen, sind allerdings grds. kein Ablehnungsgrund. Etwas anderes gilt aber dann, wenn sich das prozessuale Verhalten des Richters so sehr von der normalerweise geübten Verfahrensweise entfernt, dass sich der Eindruck einer sachwidrigen, auf Voreingenommenheit beruhenden Benachteiligung einer Partei geradezu aufdrängt.[56]

[56] OLG Köln ErbR 2015, 38.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge