1. Begriff der Auslandsberührung

Eine Auslandsberührung liegt immer dann vor, wenn ein Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes entweder seinen Wohnsitz im Ausland, d. h. außerhalb seines Heimatstaates hatte und/oder Vermögen im Ausland besaß, wobei es darauf ankommt, ob er bewegliches oder unbewegliches Vermögen besaß. Darauf wird an anderer Stelle näher eingegangen. Im Zusammenhang mit der Türkei sind die Fälle von Bedeutung, die eine Berührung mit deutschem Recht haben, geht es doch überwiegend um die Fälle, in denen türkische Mitbürger und Mitbürgerinnen in Deutschland ihren Wohnsitz haben und Vermögen sowohl in Deutschland als auch in der Türkei erworben haben.

2. Rechtsgrundlagen

Art. 20 des türkischen Gesetzes über das Internationale Privat- und Zivilverfahrensrecht (tIPRG) bestimmt, dass die Erbfolge dem Heimatrecht des Verstorbenen (lex patriae) unterliegt. Hiervon ausgenommen ist das in der Türkei belegene Immobiliarvermögen, das nach dem türkischen Belegenheitsrecht vererbt wird (lex rei sitae). Sowohl die Eröffnung des Erbgangs, der Erwerb und die Teilung der Erbschaft unterliegen dem jeweiligen Belegenheitsrecht, Art. 20 Abs. 2 IPRG, demnach die gesamte Nachlassabwicklung.

3. Bedeutung und Aufgabe des Kollisionsrechts

Das Kollisionsrecht hat die Aufgabe, bei grenzüberschreitenden Erbfällen die Frage nach dem anzuwendenden Recht zu beantworten.[2]

Im Zusammenhang mit den türkischen Erbfällen mit Auslandsberührung, d. h. mit Kontext Deutschland, muss bereits an dieser Stelle das deutsch-türkische Nachlassabkommen aus dem Jahr 1929 erwähnt und besprochen werden, da dieses bis heute – trotz zahlreicher Kritik seitens Wissenschaftler und Praktiker aus beiden Ländern – seine Gültigkeit hat und zuweilen das internationale Erbrecht beider Vertragspartner maßgeblich beeinflusst.[3] Im deutsch-türkischen Verhältnis bestimmt sich das auf die Erbfolge anwendbare Recht nach den §§ 14 ff der Anlage zu Art. 20 des Deutsch-Türkischen Konsularvertrages vom 28.5.1929 zwischen der Türkischen Republik und dem Deutschen Reich (Nachlassabkommen/NA).[4] Es handelt sich um einen Vertrag aus dem Jahre 1929, der seit seinem Inkrafttreten 1931 nach wie vor gilt. Laut Bekanntmachung vom 26.2.1952 gilt dieses Abkommen auch nach dem Kriege im Verhältnis der Bundesrepublik Deutschland zur Türkei fort. Das Nachlassabkommen ist in einer Anlage zu dem deutsch-türkischen Konsularvertrag von 1929 enthalten und enthält mehrere Kollisionsnormen auf dem Gebiet des Erbrechts.

Neben dem gültigen und anzuwendenden Nachlassabkommen existieren Regelungen im türkischen Internationalen Erbrecht, das tIPRG.

Nach Art. 1 Abs. 2 tIPRG und auch nach Art. 3 Abs. 2 Satz 1 EGBGB (aus deutscher Sicht) sind internationale Abkommen als sogenannte supranationale Regelungen jedoch vorrangig zu behandeln, soweit die Türkei als Vertragspartnerin diese unterzeichnet hat. Zu diesen vorrangig zu behandelnden Kollisionsnormen zählt unter anderem das bereits erwähnte deutsch-türkische Nachlassabkommen von 1929. Dieses Abkommen geht dem Art. 25 Abs. 1 EGBGB als supranationale Regelung vor. Das heißt, dass zur Ermittlung des Erbstatuts nur dieses deutsch-türkische Nachlassabkommen herangezogen werden darf.

[2] Vgl. Krüger, Neues zum deutsch-türkischen Nachlassabkommen, S. 4 ff, in: Informationsbrief der Deutsch-Türkischen Juristenvereinigung, Jhrg. 22, N.1-2/2013.
[3] Vgl. Krüger, aaO.
[4] RGBl, 1930 II, S. 747; 1931 II S. 538; BGBl 1952 II S. 608.

4. Umfang des Erbstatuts

Das türkische Internationale Privat- und Zivilverfahrensrecht geht vom einheitlichen Erbstatut aus. Für das Erbrecht, und insbesondere im Zusammenhang mit Auslandsberührungen, gilt das Personalstatut des Erblassers zum Todeszeitpunkt, mit der Konsequenz, dass die Anwendung des Erbrechts nach dem Staatsangehörigkeitsprinzip (Heimatrecht des Erblassers) zwingend ist.

Es gibt jedoch eine Durchbrechung dieses einheitlichen Erbstatuts, wenn sich unbewegliches Vermögen, d. h. Immobilienbesitz, außerhalb des türkischen Territoriums befindet. Bei Immobilienbesitz in Deutschland ist deutsches Recht anzuwenden. Umgekehrt bedeutet dies bei Erbfällen mit Auslandsberührung, dass türkisches Erbrecht zur Anwendung kommt, wenn sich auch unbewegliches und vor allem bewegliches Vermögen in der Türkei befindet. Befindet sich bewegliches Vermögen, wie etwa Bankguthaben, in Deutschland, dann gilt ebenfalls türkisches Erbrecht, wenn der Erblasser zum Todeszeitpunkt die türkische Staatsangehörigkeit besaß. Diese Rechtslage führt mit der Maßgabe, dass das Erbrecht beider Länder zur Anwendung kommt, zur Nachlassspaltung hinsichtlich beweglichem und unbeweglichem Vermögen.

Da das Erbstatut sämtliche erbrechtliche Aspekte, wie zum Beispiel gesetzliche Erben, Erbquoten, zulässigen Inhalt letztwilliger Verfügungen, Enterbung und Erbunwürdigkeit, Fragen der Erbschaftsannahme und -ausschlagung, das Pflichtteilsrecht, das Erbrecht des Staates, die Gesamtrechtsnachfolge einschließlich der Haftung und des Einflusses des Güterrechtes auf die Erbquote erfasst, kann die Behandlung der Erbmasse nach deutschem und türkischem Erbrecht dazu führen, dass die Rechtsfolge...

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