Dass der Ausschluss von Pflichtteilsrechten nicht gegen den französischen ordre public verstoße, entschied auch der französische Kassationsgerichtshof mit zwei Urteilen vom 27.9.2017.[19] In beiden Fällen unterfiel der jeweilige Nachlass nach den Vorgaben des französischen Internationalen Privatrechts kalifornischem Erbrecht, das einen Pflichtteil für die jeweils testamentarisch enterbten Kinder nicht vorsah. Der Kassationsgerichtshof begründete seine Ablehnung eines ordre public Verstoßes damit, dass die Pflichtteilsrechte durch das Reformgesetz vom 23.6.2006 sowie die EuErbVO (die auf die Erbfälle noch keine Anwendung fand), die einen Ausschluss von Pflichtteilsrechten durch Rechtswahl ermöglicht, an Bedeutung verloren hätten. Ein ordre public Verstoß komme außerdem nur ausnahmsweise infrage und nicht für die jeweils volljährigen und nicht wirtschaftlich bedürftigen Anspruchsinhaber.

Der französische Gesetzgeber hat daraufhin 2021 durch eine Änderung des Code Civil[20] eine Umgehung des französischen Pflichtteilsrechts untersagt. Anwendungsbereich und Vereinbarkeit mit der EuErbVO sind allerdings äußerst umstritten.[21]

[19] Kassationsgerichtshof, Urt. v. 27.9.2017 – Cass Civ 1 n. 16-13151, Cass Civ 1 n. 16-17198; Besprechung von Stade, ZErb 2018, 29, Süß, ZEV 2017, 567 sowie ders, Erbrecht in Europa, § 5 Grenzen der Anwendung ausländischen Erbrechts Rn 15 ff.
[20] Loi n° 2021 – 1109 du 24 août 2021 confortant le respect des principes de la République; hierzu ausführlich Boosfeld, ErbR 2022, 186.
[21] J. Schmidt, in: BeckOGK-EuErbVO (Stand: 1.8.2022), Art. 35 Rn 22.4.

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