Nach Auffassung der Verfasserin stellt das Behindertentestament in der Vor- und Nacherbenlösung infolge der gefestigten Rechtsprechung des BGH immer noch die rechtssicherste Methode zur Nachfolgegestaltung dar. Gleichwohl darf diese Lösung keinesfalls apodiktisch verstanden werden. Es gibt Konstellationen, in denen jedenfalls die klassische Vermächtnislösung vorzugswürdig erscheint. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn eine Erbengemeinschaft unter Beteiligung des Behinderten vermieden werden soll, was z.B. bei hohen Immobilienwerten oder auch dann der Fall sein kann, wenn sich Unternehmensbeteiligungen im Nachlass befinden. Zu entscheiden ist die Frage immer im Einzelfall und auch anhand der konkreten Zusammensetzung des Nachlasses. Besteht dieser lediglich aus einer (hochwertigen) selbstgenutzten Immobilie ohne größere liquide Mittel, kann es Sinn machen, den Behinderten an der Erbengemeinschaft partizipieren zu lassen und ihm den sozialrechtlich behaltensfesten Wohnwert zufließen zu lassen. Die in diesem Beitrag dargestellten exotischeren Lösungsansätze (umgekehrte Vermächtnislösung etc.) sind nach Auffassung der Verfasserin wegen der beschriebenen Nachteile eher mit Vorsicht zu genießen.

Die größte Gefahr, die Konstruktion eines Behindertentestaments ins Wanken zu bringen, bleibt schlussendlich eine Faktische: kommt es im Erbfall zur Bestellung eines Ergänzungs-/Betreuers und gewinnen hierüber dritte (familienfremde) Personen Einfluss auf die Entscheidung, ob die Erbschaft oder das Vermächtnis angenommen oder ausgeschlagen werden soll, steigt auch die Gefahr einer gerichtlichen Genehmigung der Ausschlagung. Zwar gibt es für den Erblasser keine Möglichkeit, die Person des Betreuers letztwillig verbindlich festzulegen. Allerdings kann der Behinderte selbst in vielen Fällen im Rahmen einer Betreuungsverfügung tätig werden und einen Wunschbetreuer benennen, der im Sinne des Erblassers und damit auch zum Wohle des Behinderten selbst tätig wird. Ist die Entwicklung der geistigen Behinderung progredient, sollte auch die Errichtung einer Vorsorgevollmacht in Zeiten der Geschäftsfähigkeit des Behinderten ins Auge gefasst werden. Eine wirksam errichtete Vorsorgevollmacht schließt die Bestellung eines Betreuers durch das Betreuungsgericht nämlich aus. Flankierende Absicherungsmechanismen, wie ein lebzeitiger Pflichtteilsverzicht, sichern die Gestaltung zudem weiter ab und sind daher sinnvoll.

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