Die gem. §§ 58 Abs. 1, 59 Abs. 1, 61 Abs. 1, 63 Abs. 1 und Abs. 3 S. 1, 64 Abs. 1 und 2 FamFG zulässige Beschwerde der Beteiligten zu 1 ist nach der vom Nachlassgericht ordnungsgemäß erklärten Nichtabhilfe gem. § 68 Abs. 1 S. 2, 2. Hs. FamFG dem Senat zur Entscheidung angefallen.

In der Sache hat die Beschwerde Erfolg.

Der angefochtene Beschluss ist deshalb aufzuheben, weil der Erbschein nicht so, wie von dem Beteiligten zu 2 beantragt, erteilt werden darf. Die gebotene Auslegung der letztwilligen Verfügungen ergibt, dass der Beteiligte zu 2 nicht, wie im Erbscheinsantrag zugrunde gelegt, alleiniger unbeschränkter Erbe, sondern lediglich nicht befreiter Vorerbe nach der Erblasserin geworden ist.

Entgegen der Auffassung des Beteiligten zu 2 folgt bereits aus dem gemeinschaftlichen Testament vom 19. Juni 1985 die Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft. In diesem Testament haben die Eheleute nicht etwa ihr gemeinschaftliches Vermögen iSd § 2269 BGB einheitlich nach dem ersten Erbfall dem überlebenden Ehegatten und nach dessen Tode einer oder mehreren Personen zugedacht. Vielmehr sollten nach dem Tod des längstlebenden Ehegatten die Vermögen gerade nicht einheitlich behandelt, sondern der jedem Ehegatten zu seinen Lebzeiten gehörende Teil der eigenen Verwandtschaft zugewendet werden. In einem solchen Fall ist in der Regel eine Vor- und Nacherbschaft anzunehmen (Musielak, in: MüKo-BGB, 7. Auflage 2017, § 2269 Rn 13 mwN). Ein abweichender Wille der Ehegatten lässt sich nicht feststellen. Ein solcher ergibt sich insbesondere auch nicht aus der Überschrift "BERLINER TESTAMENT V. 19. JUNI 1985" in dem bestätigenden Schriftstück vom 11. Oktober 2014. Aus dieser laienhaft gewählten Bezeichnung folgt nicht, dass das Testament iSd § 2269 BGB auszulegen wäre. Vielmehr haben die Ehegatten – anders als nach der vorgenannten Auslegungsregel – gerade nicht ihren beiderseitigen Nachlass nach dem Tode des Letztversterbenden einem Dritten zugedacht, sondern jeweils eigene Nacherben für ihre Vermögen bestimmt. Auch die Anordnung der Erblasserin, dass ihr Haus nicht verkauft werden dürfe, sondern für ihre Tochter erhalten werden müsse, spricht für die Anordnung einer – nicht befreiten – Vorerbschaft. Dass das Testament in diesem Sinne zu verstehen sei, hat die Erblasserin zudem in ihrem nachfolgenden Testament vom 18. Februar 2015 und im Erbvertrag vom 20. April 2015 bestätigt.

Dass die von der Erblasserin bestimmte Nacherbin C. vorverstorben ist, hat nicht zur Folge, dass die Nacherbschaft entfallen wäre. Vielmehr hat die Erblasserin zulässigerweise im Erbvertrag vom 20. April 2015 den Beteiligten zu 1 zu ihrem Nacherben bestimmt. An einer solchen Regelung war die Erblasserin nicht gem. § 2270 Abs. 1 BGB aufgrund der Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments vom 19. Juni 1985 gehindert.

Ob der Tod der Nacherbin vor Eintritt des Erbfalls zur Folge hat, dass der als Vorerbe Berufene unbeschränkter Vollerbe wird (vgl. Palandt-Weidlich, BGB, 76. Auflage 2017, § 2100 Rn 8; Litzenburger, in: BeckOK BGB, Stand: 1. Mai 2018, § 2108 Rn 1) oder ob eine andere Person in die Stellung des Nacherben rückt, ist durch Auslegung der letztwilligen Verfügung zu ermitteln. Ziel der Auslegung ist dabei die Ermittlung des wirklichen oder mutmaßlichen Willens der Erblasser. Es ist daher zu fragen, welche Regelung die Ehegatten bei Errichtung des gemeinschaftlichen Testaments getroffen hätten, wenn sie die Möglichkeit des vorzeitigen Todes der C. bedacht hätten (vgl. KG FamRZ 2015, 876). Im vorliegenden Fall ergibt die gebotene ergänzende Auslegung, dass es der Erblasserin freistehen sollte, beim Vorversterben der Nacherbin eine andere ihr nahstehende Person zum Nacherben zu bestimmen.

Die Ehegatten haben sich in dem gemeinschaftlichen Testament gegenseitig als Alleinerben eingesetzt. Weiter haben sie bestimmt, dass nach dem Tod des Letztversterbenden die beiden Vermögen getrennt behandelt und jeweils den eigenen Kindern der Erblasserin bzw. ihres Ehemannes zukommen sollten. Das zeigt, dass es den Ehegatten, die keine gemeinsamen Kinder hatten, darauf ankam, ihre Vermögen jeweils an ihre eigenen Verwandten weiterzugeben. Diese Überlegung spricht dagegen, in dem hier eingetretenen Fall des Vorversterbens der Nacherbin von einem Wegfall der Nacherbfolge auszugehen. Denn dies würde dazu führen, dass auch der Nachlass der Erblasserin nach dem Tod des Beteiligten zu 2 dessen Nachkommen zu Gute kommen würde – eine Folge, die die Ehegatten im gemeinschaftlichen Testament vom 19. Juni 1985 gerade vermeiden wollten. Es ist deshalb davon auszugehen, dass die Testierenden – hätten sie die Möglichkeit des Vorversterbens der C. bedacht – der Erblasserin das Recht eingeräumt hätten, an deren Stelle einen anderen Nacherben zu berufen.

Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Schriftstück vom 11. Oktober 2014, mit dem die Ehegatten nach dem Verlust des Originaltestaments vom 19. Juni 1985 bestimmt haben, stattdessen solle die beiliegende Kopie weiterhin gültig sein. Zw...

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