So hätte Berthold Brecht[1] vielleicht die aktuelle Lage des deutschen Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG 2016) kommentiert. Denn der Schlusssatz seines Stücks, Der gute Mensch von Sezuan[2] lautet: "Verehrtes Publikum, los, such dir selbst den Schluss! Es muss ein guter da sein, muss, muss, muss!"

Nicht ausgeschlossen, dass auch die Verfassungsrichter im Dezember des Jahres 2014 denselben Gedanken hatten. Nur dass das Publikum aus der Sicht des Bundesverfassungsgerichts natürlich nicht die Allgemeinheit, sondern in erster Linie der Gesetzgeber war bzw. ist. Demzufolge erging auch an diesen die Aufforderung, bis Mitte des Jahres 2016 eine verfassungsrechtlichen Ansprüchen genügende gesetzliche Neuregelung zu schaffen und umzusetzen.[3] Im Hinblick darauf, dass das deutsche Erbschaftsteuergesetz seit Bestehen der ZErb noch nie mit dem Grundgesetz vereinbar gewesen war, sicherlich eine ambitionierte Aufgabe. Aber, so sagte es schon Brecht, die Kraft "wird wachsen mit der Bürde".

Und viel Kraft hat das Gesetzgebungsverfahren ganz offensichtlich erfordert: Bereits im Sommer 2015 lag ein Referenten- bzw. Regierungsentwurf für die Neuregelung vor.[4] Dieser beinhaltete einen vergleichsweise radikalen Systemwechsel, indem er auf einer positiv formulierten Definition des zu begünstigenden Produktivvermögens aufbaute und die Aussonderung nicht begünstigungswürdigen Verwaltungsvermögens obsolet machte. Dieser Entwurf überstand dann im September auch weitgehend unbeschadet die erste Lesung im Deutschen Bundestag. Die Länder lehnten allerdings noch im selben Monat in einer entsprechenden Stellungnahme den im Raum stehenden Systemwechsel ab und wünschten ausdrücklich ein Festhalten am bisherigen und "bewährten" Konzept des Verwaltungsvermögens.[5]

Soweit daher der Regierung und insbesondere dem Finanzministerium heute der Vorwurf gemacht wird, das neue Gesetz stelle keinen "großen Wurf" dar, ist dies ganz sicher nicht berechtigt.

Im Anschluss an die Stellungnahme des Bundesrates dauerte es rund neun Monate, bis im Juni 2016 eine Einigung über die Reform der Erbschaft- und Schenkungsteuer zustande kam[6] und am 24.6.2016 im Bundestag beschlossen wurde. Wahrlich eine "schwere Geburt". Nichtsdestotrotz rief der Bundesrat Anfang Juli 2016 den Vermittlungsausschuss an, in dem in der Nacht vom 21. auf den 22.9.2016 tatsächlich eine endgültige Einigung erzielt werden konnte.[7] Der Rest ist Geschichte. Mittlerweile ist das Gesetz in Kraft getreten. Ein "Schluss" im Brecht’schen Sinne scheint also gefunden zu sein.

Aber ist es auch ein guter? Anscheinend nicht – denn wohin auch immer man schaut, es hagelt Kritik, und das nicht zu knapp:

Die einen meinen, durch die Neuregelung würden eigentümer- und familiengeführte Unternehmen in einem viel höheren Maße belastet, als ihnen dies früher einmal zugesichert worden sei. Auch die im Koalitionsvertrag getroffene Vereinbarung, unnötige Mehrbelastungen (gerade von Familienunternehmen) vermeiden zu wollen, sei durchbrochen worden. Andere kritisieren genau dieselben Regelungen, weil ihres Erachtens auch zukünftig unverhältnismäßig hohe und pauschale Steuererleichterungen gewährt würden und so gerade diejenigen, bei denen das Bundesverfassungsgericht eine Beschränkung der Steuererleichterungen gefordert hatte, so die Möglichkeit hätten, sich ihrem "gerechten Beitrag" für die Allgemeinheit zu entziehen.

Doch auch abseits politisch-propagandistischer Slogans und Plattitüden scheint unter denjenigen, die sich mit den Neuregelungen unter Gesichtspunkten der praktischen Anwendbarkeit und Handhabbarkeit sowie auch wissenschaftlich auseinandersetzen, ebenfalls Einigkeit zu bestehen, dass mit dem "Gesetz zur Anpassung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts" bestenfalls der Schlusspunkt des jüngsten Kapitels der beinahe schon traditionellen und auch in Zukunft fortzuführenden Debatte um eine angemessene und insbesondere auch verfassungskonforme Besteuerung von Erbfällen und Schenkungen gesetzt wurde. Nicht nur die vorstehenden Beiträge in diesem Heft, sondern auch die in denselben zitierten (und viele weitere) Aufsätze und Stellungnahmen sind hierfür beredtes Zeugnis.

Auch hier ist die Kritik äußerst vielfältig: So darf man sich sicherlich berechtigterweise die Frage stellen, ob die rückwirkende Änderung eines Gesetzes, das eine Stichtagssteuer zum Gegenstand hat, nicht (sozusagen automatisch und offensichtlich) gegen das Rückwirkungsverbot verstößt und damit – jedenfalls für den Rückwirkungszeitraum – verfassungswidrig sein muss.[8] Warum der Gesetzgeber (sehenden Auges) dieses Risiko in Kauf genommen hat, ist nicht so recht erkennbar.

Weiterhin wird beanstandet, dass der mit der Umsetzung der neuen Vorgaben verbundene Verwaltungsaufwand bislang ungeahnte Dimensionen annehme. Und man wird wohl kaum bestreiten können, dass allein die Ausweitung des Lohnsummenkriteriums auf kleinere Betriebe einen ganz erheblichen zusätzlichen Verwaltu...

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