Die in § 13 a Abs. 9 S. 1 Nr. 1 bis 3 ErbStG genannten gesellschaftsvertraglichen Regelungen müssen kumulativ vorliegen. Sowohl der Gesellschaftsvertrag als auch die tatsächliche Handhabung müssen gemäß § 13 a Abs. 9 S. 4 ErbStG wenigstens zwei Jahre vor dem Zeitpunkt der Steuerentstehung (§ 9 ErbStG) den Vorgaben von § 13 a Abs. 9 S. 1 ErbStG genügen. Auf diese Weise sollen missbräuchliche Gestaltung von vornherein ausgeschlossen bzw. maßgeblich erschwert werden.[23] Wird der Gesellschaftsvertrag hinsichtlich der entsprechenden Regelungen innerhalb eines Zeitraums von 20 Jahren nach dem Zeitpunkt der Steuerentstehung geändert, sodass die Voraussetzungen von § 13 a Abs. 9 S. 1 ErbStG nicht mehr erfüllt sind, oder entsprechen die tatsächlichen Verhältnisse innerhalb dieses Zeitraums nicht mehr den gesellschaftsvertraglichen Vorgaben, führt dies zu einem rückwirkenden Entfall des Wertabschlags.

Insoweit handelt es sich um eine absolute zeitliche Grenze. Wann innerhalb des Zeitraums von 20 Jahren es zu einem Verstoß kommt, spielt für den Umfang des Wegfalls der Begünstigung keine Rolle. Vor diesem Hintergrund kommt der bereits oben angesprochenen Frage, in welchem Umfang Anteilsübertragungen an andere als die in § 13 a Abs. 9 S. 1 Nr. 2 ErbStG genannten Personen auf der Grundlage eines entsprechenden Gesellschafterbeschlusses zu einer Verletzung der Anforderungen von § 13 a Abs. 9 ErbStG führen können, umso größere Bedeutung zu.[24]

Im Übrigen stellt sich ganz grundsätzlich die Frage, ob einzelne die in Rede stehenden gesellschaftsvertraglichen Regelungen durchbrechende Beschlüsse bereits für sich genommen dazu führen sollten, dass die gesellschaftsvertraglichen Regelungen nicht mehr den tatsächlichen Verhältnissen entsprechen. Angesichts des mit 20 Jahren doch äußerst lang bemessenen Kontrollzeitraums sollte davon auszugehen sein, dass einzelne, insbesondere durch außergewöhnliche tatsächliche Verhältnisse ausgelöste, vom Gesellschaftsvertragsinhalt abweichende, Beschlüsse unschädlich sind, wenn die Gesellschafter "im Großen und Ganzen" die selbst auferlegten Beschränkungen einhalten. Das gilt beispielsweise für erhöhte Entnahme- oder Ausschüttungsbedürfnisse im Zusammenhang mit der Begleichung von Erbschaftsteuerverpflichtungen[25] oder auch im Falle der Einigung mit einem um die Höhe seiner Abfindung streitenden ausscheidenden Gesellschafter.

Fraglich ist darüber hinaus, ob bzw. wie sich Vertragsänderungen auswirken, die nach einer Veräußerung der begünstigt erworbenen Beteiligung (also nach Ausscheiden des Steuerpflichtigen aus der Gesellschaft) vorgenommen werden. Diese dürfen – ungeachtet der 20-Jahresfrist – für die Besteuerung keine Rolle spielen. Denn eine Sanktionierung der Aufgabe/Veräußerung der Beteiligung erfolgt ausschließlich im Rahmen der Behaltensfrist des § 13 a Abs. 6 ErbStG.[26] Außerdem dürfte sich im Falle einer Anteilsveräußerung (oder auch eines Ausscheidens unter Geltung der gesellschaftsvertraglichen Abfindungsbeschränkungen) die von § 13 a Abs. 9 ErbStG unterstellte Wertminderung sogar effektiv auswirken, sodass ein rückwirkender Wegfall ihrer Berücksichtigung erst recht unangemessen erschiene.

[23] Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 18/5923, S. 24.
[24] Bei wortgetreuer Auslegung befürchtet Hannes (ZEV 2016, 554, 558) bereits zu recht eine 20 jährige Umstrukturierungssperre.
[25] Vgl. hierzu auch Crezelius, ZEV 2016, 541, 544.
[26] Ebenso Viskorf/Löcherbach/Jehle, DStR 2016, 2425, 2431.

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