Leitsatz

Für den Eintritt der Steuerbefreiung betreffend den Erwerb eines Familienheims im Sinne des § 13 Abs. 1 Nr. 4 c S. 1 ErbStG ist erforderlich, dass der begünstigte Erwerber nach Eintritt des Erbfalls unverzüglich bestimmt, dass die zum Nachlass gehörende, in einem bebauten Grundstück im Sinne des § 181 Abs. 1 Nr. 1 – 5 BewG befindliche Wohnung selbst und für eigene Wohnzwecke genutzt werden soll. Der Erwerber muss sich hierzu in einem angemessenen Zeitraum nach Eintritt des Erbfalls dazu entscheiden, die Wohnung selbst zu nutzen und diese Entscheidung auch umsetzen.

Wird ein Miterbe aufgrund der Erbauseinandersetzung Alleineigentümer eines Familienheims im Sinne des § 13 Abs. 1 Nr. 4 c S. 1 ErbStG oder eines zu Wohnzwecken vermieteten Grundstücks im Sinne des § 13 c Abs. 3 ErbStG, so erhöht sich dessen begünstigtes Vermögen ohne Rücksicht darauf, ob die formale Erbauseinandersetzung "zeitnah" (ca. 6 Monate) nach dem Eintritt des Erbfalls erfolgt.

BFH, Urteil vom 23. Juni 2015 – II R 39/13

Sachverhalt

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist neben seiner Schwester (S) zur Hälfte Miterbe seines am 24.12.2010 verstorbenen Vaters (V).

Zum Nachlass gehörte neben weiteren Grundstücken das mit einem Zweifamilienhaus bebaute Grundstück R. Eine Wohnung in dem Zweifamilienhaus wurde von V und S gemeinsam und nach dem Tod des V von S alleine genutzt; Ende 2011 zog der Kläger zusammen mit seiner Ehefrau in diese Wohnung ein. Die andere Wohnung in dem Gebäude war fremdvermietet.

Mit notariell beurkundetem Erbauseinandersetzungs- und Grundstücksübertragungsvertrag vom 23.3.2012 hoben der Kläger und S die Erbengemeinschaft an dem von V erworbenen Grundbesitz in der Weise auf, dass der Kläger das Grundstück R und S die restlichen Grundstücke (u. a. Grundstück X und Grundstück Y) jeweils als Alleineigentümer erhielten. Die festgestellten Bedarfswerte betrugen für das Grundstück R 326.996 EUR und für die Grundstücke X und Y insgesamt 336.128 EUR.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt – FA – ) setzte mit Bescheid vom 15.6.2012 gegen den Kläger Erbschaftsteuer fest, wobei die Steuerbefreiungen nach § 13 Abs. 1 Nr. 4 c des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes in der ab 2009 geltenden Fassung (ErbStG) für die selbst genutzte Wohnung und nach § 13 c ErbStG für die vermietete Wohnung entsprechend der Beteiligung des Klägers als Miterbe, jeweils ausgehend vom hälftigen Wert des Grundstücks R, berechnet wurden.

Der Einspruch, mit dem der Kläger geltend machte, die Steuerbefreiungen seien wegen des im Rahmen der Erbauseinandersetzung erhaltenen Alleineigentums am Grundstück R unter Berücksichtigung des gesamten Grundstückswerts zu gewähren, blieb ohne Erfolg. Das FA setzte in der Einspruchsentscheidung die Erbschaftsteuer auf ... EUR fest.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Zur Begründung führte es aus, dass die Begünstigung des bei der Nachlassteilung erworbenen Vermögens nach § 13 Abs. 1 Nr. 4 c Satz 4 und § 13 c Abs. 2 Satz 3 ErbStG nicht von einer zeitnahen Auseinandersetzung über den Nachlass innerhalb eines halben Jahres nach dem Erbfall abhängig sei. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2013, 2032 veröffentlicht.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung von § 13 Abs. 1 Nr. 4 c und § 13 c ErbStG.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Aus den Gründen

II. Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung – FGO – ). Das FG hat zutreffend entschieden, dass sich das nach § 13 Abs. 1 Nr. 4 c und § 13 c ErbStG steuerbefreite Vermögen des Klägers aufgrund des bei der Erbauseinandersetzung erworbenen Alleineigentums am Grundstück R erhöht und die Steuerbefreiungen ausgehend vom gesamten Wert dieses Grundstücks zu berücksichtigen sind.

1. Steuerfrei ist nach § 13 Abs. 1 Nr. 4 c Satz 1 ErbStG u. a. der Erwerb von Todes wegen des Eigentums oder Miteigentums an einem im Inland belegenen bebauten Grundstück iSd § 181 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 des Bewertungsgesetzes (in der ab 2009 geltenden Fassung – BewG – ) durch Kinder iSd Steuerklasse I Nr. 2 und der Kinder verstorbener Kinder der Steuerklasse I Nr. 2, soweit der Erblasser darin bis zum Erbfall eine Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat oder bei der er aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert war, die beim Erwerber unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt ist (Familienheim) und soweit die Wohnfläche der Wohnung 200 qm nicht übersteigt.

Die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4 c Satz 1 ErbStG erfasst – unter weiteren Voraussetzungen – u. a. eine Wohnung in einem mit einem Zweifamilienhaus bebauten Grundstück iSd § 181 Abs. 1 Nr. 1 BewG, wenn die Wohnung beim Erwerber unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt ist. Begünstigt ist der Erwerb von Todes wegen, bei einem Miterben also der Erwerb entsprechend seiner Erbquote.

Das FA hat die zunächst ...

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