Auf die vorgenannten Begründungsstränge gegen eine Übertragung der Grundsätze des Unterhaltsrechts auf das Pflichtteilsrecht brauchte der Senat nicht zurückgreifen, denn das Sozialleistungssystem selbst steht einer Vergleichbarkeit zwingend entgegen:

Das betreffende Pflichtteilsrecht der Leistungsbezieherin kann allenfalls ein Korrelat zu ihren Unterhaltsansprüchen gegenüber ihren Eltern sein und der Sozialhilfeträger kann gerade diese Unterhaltsansprüche wegen des hier eingreifenden Grundsatzes des Familienlastenausgleichs nur in sehr eingeschränktem Maße auf sich überleiten.[116] Dabei besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass der Grundsatz des Familienlastenausgleichs das "Familienvermögen" der Eltern nur zu deren Lebzeiten schützen sollte.[117] Eine solche Beschränkung ergibt sich jedenfalls weder aus dem Erb- noch aus dem Sozialrecht. So besteht die Beschränkung des Anspruchsübergangs nach § 92 Abs. 2 SGB XII unabhängig davon, ob die Eltern durch eine höhere Inanspruchnahme unbillig in ihrer Lebensführung beeinträchtigt würden. Letzteres begründet bei Vorliegen einer "unbilligen Härte" vielmehr eine eigenständige Beschränkung gemäß § 92 Abs. 3 SGB XII. Auch wird die Hilfe, die über die Grenzen des § 92 Abs. 2 SGB XII hinausgeht, nicht etwa nur als Darlehen gewährt, obwohl das SGB XII diese Form der Hilfeleistung durchaus kennt.[118] Das spricht dafür, dass den Familien behinderter Leistungsbezieher das über die Grenzen des § 92 Abs. 2 SGB XII hinausgehende Einkommen und Vermögen auf Dauer und nicht nur zu den Lebzeiten der Eltern belassen werden soll. Die besondere "Last", im Regelfall lebenslang für ein behindertes Kind aufkommen zu müssen, soll der Familie und nicht nur dem jeweiligen Elternteil in gewissem Umfang endgültig abgenommen werden.

Gibt aber das sozialrechtliche Regelungssystem selbst nichts dafür her, was das erbrechtliche Gestaltungsrecht aus § 2346 Abs. 2 BGB infrage stellen könnte, kommt es auf anderes nicht mehr an. Dann bleibt es bei dem von mir schon vor Jahren aufgestellten Grundsatz zu den Grenzen erbrechtlicher Gestaltungsfreiheit:

"Akten des Gesetzgebers und des Bundesverfassungsgerichts kann zweifellos begrenzende Wirkung zukommen. Solange dies nicht eindeutig geschehen ist, hat die Freiheit des Erblassers und des Erben die Oberhand."[119]

[117] So aber Kübler aaO S. 105 siehe Fn 98.
[118] Vgl. § 91 SGB XII.
[119] Wendt, ZNotP 2009, 460, 466; ZErb 2010, 45, 48; ErbR 2010, 142, 145, 146.

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