Nach Prof. Dr. Desens sei das Vorliegen eines Verstoßes der im Steuerrecht existierenden interperiodischen Verlustabzugsbeschränkungen gegen das objektive Nettoprinzip davon abhängig, ob das Lebenseinkommens- oder das Abschnittprinzip der Besteuerung zugrunde gelegt werde. Während eine Besteuerung nach dem Lebenseinkommen eine Verlustberücksichtigung zwingend zur Folge habe, müsste im Rahmen der Periodenbesteuerung die Möglichkeit der Geltendmachung von Verlusten gerechtfertigt werden. Seines Erachtens lasse sich eine Zusammenführung dieser beiden extremen Sichtweisen anhand der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu den sog. Jubiläumsrückstellungen[9] vorzeichnen. Das Gericht habe festgestellt, dass sich aus dem objektiven Nettoprinzip nicht einwandfrei entnehmen lasse, in welcher Periode ein Verlustabzug zugelassen werden müsse.

Hiernach müssten vorübergehende Verlustabzugsbeschränkungen (Mindestbesteuerung, § 10 d Abs. 2 EStG) die Grenze des Willkürverbots beachten, soweit sie zur zeitlichen Streckung von Verlustvorträgen führten. Das vom Gesetzgeber angeführte Ziel, die Steuereinnahmen im Wesentlichen zu verstetigen, rechtfertige als Fiskalzweck den Eingriff. Komme es hingegen zu einem endgültigen Untergang des Verlustvortrags, wie es etwa bei § 8 c KStG der Fall sei, sei ein strenger Rechtfertigungsmaßstab anzulegen. Soweit solche Definitiveffekte durch die Mindestbesteuerung maßgeblich mitverursacht würden, könne die Mindestbesteuerung nicht mehr mit dem Ziel gerechtfertigt werden, die Staatseinnahmen zu verstetigen. Ein verfassungskonformer Zustand könne in solchen Konstellationen erreicht werden, wenn die betragsmäßigen Beschränkungen der Mindestbesteuerung rückwirkend nicht anwendbar wären, was aber aufgrund des eindeutig entgegenstehenden Wortlauts nur durch eine Gesetzesänderung erreicht werden könne. Die Komplexität einer solchen Neuregelung sollte zu einer Abschaffung der Mindestbesteuerung führen.

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