Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs[2] und der überwiegenden Ansicht in der Literatur[3] berechnete sich der Ergänzungspflichtteil nach der Summe der vom Erblasser innerhalb der Zehn-Jahres-Frist des § 2325 Abs. 3 BGB aF an den Versicherer gezahlten Prämien, höchstens jedoch nach der Versicherungsleistung. Über den Teil der Versicherungsleistung, der über die Prämiensumme hinausging, konnte der Erblasser somit pflichtteilsfrei verfügen. Diese Lösung ging auf ein Urteil des Reichsgerichts[4] zurück und war bereits zu dieser Zeit nicht unbestritten. Sie wurde aber seither zumindest als Kompromiss zwischen dem verfassungsmäßig verbürgten Teilhaberecht der Pflichtteilsberechtigten und dem Interesse des Erblassers, alle verfügbaren Gestaltungsmittel zur Regelung seines Nachlasses auszuschöpfen, im Ergebnis akzeptiert.[5] Neue Bewegung in diese Diskussion brachte ein Urteil des für das Insolvenzrecht zuständigen IX. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 23. Oktober 2003[6], der für das Recht der Insolvenzanfechtung mit einer ebenfalls auf das Reichsgericht zurückgehenden Rechtsprechung[7] brach und fortan nicht mehr die Summe der gezahlten Prämien, sondern die gesamte Versicherungsleistung als entscheidend ansah. Im Anschluss an dieses Urteil entzündete sich die Diskussion, ob die Änderung der Rechtsprechung zum Insolvenzrecht auf die Rechtsprechung zum Ergänzungspflichtteil übertragen werden müsse und auch im Rahmen des § 2325 Abs. 1 BGB nicht mehr auf die Prämiensumme, sondern auf die gesamte Versicherungsleistung abgestellt werden müsse.[8] Dies hätte die Möglichkeit der Bezugsrechtseinräumung als Mittel der Nachlassregelung weitgehend entwertet.
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