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In der Praxis besteht das Bedürfnis, durch die Bestellung eines Testamentsvollstreckers aus dem Kreis der Familie die Verwaltung und Abwicklung des Nachlasses ohne Hinzuziehung Dritter zu vereinfachen. Dem steht jedoch in einigen Fällen die Tendenz entgegen, in Fällen potenzieller Interessenkonflikte entweder die Bestellung zum Testamentsvollstrecker als unwirksam zu erachten oder einen Vertretungsausschluss auf anderer Ebene anzunehmen. Im Folgenden soll diese Problematik anhand der Bestellung des Vorerben zum Nacherbenvollstrecker und anhand der Ernennung des gesetzlichen Vertreters des Erben als Testamentsvollstrecker untersucht werden.
I. Fallbesipiele
Fall 1: Ein Witwer hat wieder geheiratet. Seine Ehefrau hat derzeit wenig Einkünfte, erhält aber bei Vollendung des 60. Lebensjahres eine hohe Summe aus einer Lebensversicherung. Der Ehemann möchte daher sein Vermögen von Todes wegen zunächst zur Absicherung seiner zweiten Ehefrau, jedoch nach deren Ableben oder bei Vollendung des 60. Lebensjahres durch sie seinen Kindern aus erster Ehe zuwenden, von denen eines minderjährig, das andere derzeit auf einem mehrjährigen Auslandseinsatz der Bundeswehr ist. Den Kindern der zweiten Ehefrau aus deren erster Ehe soll nichts von seinem Vermögen zukommen. Die Ehefrau soll, soweit möglich, keiner Aufsicht unterliegen. Bei Erreichen des 60. Lebensjahres soll sie die Verteilung des Nachlasses auf seine Kinder regeln.
In Fall 1 könnte eine Lösung darin bestehen, die zweite Ehefrau zur befreiten Vorerbin, die Kinder aus erster Ehe zu Nacherben zu bestimmen. So wird gewährleistet, dass bei Vollendung des 60. Lebensjahres das Vermögen ohne Weiteres auf die Kinder des Mannes übergeht, und zugleich ein Zugriff durch die Kinder der Ehefrau bei deren Ableben in Form von Pflichtteilsansprüchen vermieden. Würde dagegen die Ehefrau zur Vollerbin eingesetzt und lediglich mit einem Herausgabevermächtnis bei Eintritt ihres Todes oder Vollendung des 60. Lebensjahres beschwert, müsste dieses ggf. zunächst gegen die Kinder der Ehefrau geltend gemacht und dabei nachgewiesen werden, welche Bestandteile ihres Vermögens aus dem Nachlass des Ehemannes stammten. Um der Ehefrau Verfügungen zu erleichtern und ihr die spätere Aufteilung des Nachlasses zu ermöglichen, könnte sie für die Dauer der Vorerbschaft zur Nacherbenvollstreckerin nach § 2222 BGB, sodann zur Testamentsvollstreckerin mit der Aufgabe der Auseinandersetzung des Nachlasses bestimmt werden.
Fall 2: Zwei sehr vermögende Ehegatten möchten jeweils ihr Vermögen beim jeweiligen Ableben unmittelbar ihren gemeinsamen minderjährigen Kindern zuwenden, um den mehrfachen Anfall von Erbschaftsteuer zu vermeiden. Der überlebende Ehegatte soll aber das Vermögen des Erstversterbenden nach Möglichkeit ohne gerichtliche Überwachung und Genehmigungsvorbehalte verwalten und umschichten können.
In Fall 2 böte sich an, den überlebenden Ehegatten zum Dauertestamentsvollstrecker mit der Aufgabe der Verwaltung des Nachlasses zu bestimmen.
Die Nacherbenvollstreckung durch den Vorerben wäre jedoch nach dem heute in der Literatur herrschenden Verständnis vom Wesen der Testamentsvollstreckung unzulässig; die Testamentsvollstreckung durch den gesetzlichen Vertreter des Erben wird im Hinblick auf immanente Interessenkonflikte als problematisch angesehen. Diese Einschätzungen sollen im Folgenden angesichts der wegen der Patchwork-Familien stetig zunehmenden Bedeutung dieser Fragen kritisch beleuchtet werden.
II. Der Vorerbe als Nacherbenvollstrecker
1. Rechtsprechung
a) Das Urteil des Reichsgerichts aus dem Jahre 1911
Die Meinung, wonach nicht Testamentsvollstrecker sein darf, wer in einem Interessenkonflikt steht, gründet auf der Rechtsprechung des Reichsgerichts aus dem Jahre 1911: "Denkt man sich endlich den Vorerben als Testamentsvollstrecker im Sinne von § 2222 zugleich zur Wahrung der Rechte des Nacherben berufen, so wäre er damit in einen so schroffen Interessenwiderstreit hineingestellt, daß von einer gedeihlichen Führung des Amtes (§ 2202 BGB), die vor allem Unbefangenheit des Amtsträgers voraussetzt, nicht die Rede sein könnte."
Das Urteil beruht ersichtlich auf der Annahme, dass Testamentsvollstreckung "Unbefangenheit", also das Fehlen von Interessenkonflikten auf Seiten des Testamentsvollstreckers, voraussetze. Die Ernennung des alleinigen Vorerben zum Nacherbenvollstrecker gemäß § 2222 BGB wurde demzufolge vom Reichsgericht abgelehnt.
b) Rechtsprechung des Bayerischen Obersten Landesgerichts
Diese Rechtsprechung hat bereits durch den Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 29.3.1976 eine erhebliche Relativierung erfahren. Darin stellt das Gericht klar, dass ein Vorerbe als Testamentsvollstrecker berufen werden kann, "jedenfalls dann, wenn mehrere als Vorerben eingesetzt sind und der Erblasser wie hier ein Kollegium als Testamentsvollstrecker berufen hat". Im Fall hatte das Testamentsvollstreckerkollegium, in dem ein Mitvorerbe vertreten war, aufgrund einer entsprechenden Bestimmung des Testaments entschieden, die Testa...