Bei sog. Großerwerben, bei denen selbst das Abschmelzmodell nicht mehr zu steuerlichen Begünstigungen führt, sind die wirtschaftlichen Verhältnisse des Erwerbers eine entscheidende Größe für die Steuerbelastung. Da bei der Verschonungsbedarfsprüfung gem. § 28a ErbStG auch das Privatvermögen die Steuerbelastung beeinflusst, kann auch die Erwerberwahl zur Steuergestaltung genutzt werden. Das verfügbare Vermögen i.S.d. § 28a Abs. 2 ErbStG muss nicht liquide sein, sodass auch das bewohnte Einfamilienhaus, vermietete Immobilien oder Wertpapierdepots den potenziellen Erlass mindern.[72] Durch die Übertragung von Privatvermögen im Todesfall auf einen anderen Erwerber kann das verfügbare Vermögen des Unternehmensnachfolgers niedrig gehalten werden, um im Optimalfall durch die Verschonungsbedarfsprüfung von einem vollständigen Steuererlass profitieren zu können.[73] Grundsätzlich ist daher ratsam, das Betriebsvermögen an Kinder, die kein eigenes verfügbares Vermögen besitzen, zu vererben bzw. zu verschenken, im Optimalfall mit der Auflage, einen Antrag nach § 28a ErbStG zu stellen.[74] Kritisiert wird an dieser Gestaltung, dass unternehmerische Aspekte bei der Auswahl eines geeigneten Unternehmensnachfolgers zwecks Steuergestaltung in den Hintergrund gestellt werden.[75]

Die Verschonungsbedarfsprüfung kann auch zur Umsetzung eines sog. "Zweistufenmodells" genutzt werden, wodurch die Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer im Optimalfall 0 EUR beträgt. Hierbei wird in der Stufe 1 ein Großerwerb an Vermögenslose i.S.v. § 28a ErbStG verschenkt und in der Stufe 2 nach Ablauf von zehn Jahren weiteres nicht begünstigtes Vermögen auf den selben Erwerber übertragen.[76] Das Vermögen, das erst nach zehn Jahren übertragen worden ist, kann folglich nicht mehr für die Steuerzahlung des zuvor stattgefundenen Großerwerbs hinzugezogen werden, vgl. § 28a Abs. 4 S. 1 Nr. 3 ErbStG. Das Risiko am Zweistufenmodell besteht darin, dass im Fall des Todes des Erblassers innerhalb der Zehn-Jahres-Frist nicht begünstigtes Vermögen anfällt, wodurch die geplante Steueroptimierung ins Leere laufen kann.[77]

[72] Meincke/Hannes/Holtz, ErbStG, § 28a Rn 9; von Oertzen/Loose/Stalleiken, ErbStG, § 28a Rn 27.
[73] Reich, DStR 2016, 2447, 2450.
[74] Watrin/Linnemann, Ubg 2017, 569, 571-572.
[75] Fischer/Pahlke/Wachter/Fischer, ErbStG, § 28a Rn 30.
[76] Hubert, StuB 2017, 131, 38.
[77] Meyering/Müller-Thomczik/Hiltl, DStR 2019, 2379, 2380.

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