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Die Zahl der deutschen Wegzügler ist in den vergangenen Jahren stark angestiegen und wird voraussichtlich auch in den kommenden Jahren weiter ansteigen.[1] Ein Wegzug aus Deutschland muss aus steuerlicher Sicht sehr gut vorbereitet werden, um die gewünschten Ergebnisse herbeiführen zu können. Dabei sind mehrere einkommen-, außen- und erbschaftsteuerlichen Vorschriften zu beachten.

[1] Statistisches Bundesamt, Wanderungen zwischen Deutschland und dem Ausland, Zugezogene, Fortgezogene und Saldo, abrufbar unter: https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Bevoelkerung/Wanderungen/Tabellen/wanderungen-alle.html.

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In dem vorliegenden Aufsatz sollen zunächst die steuerlichen Rahmenbedingungen in Deutschland als Wegzugsstaat dargestellt und anschließend die Konsequenzen eines Wegzugs aus einkommen-, außen- und erbschaftsteuerlicher Sicht erläutert werden.

A. Steuerliche Rahmenbedingungen in Deutschland

I. Wohnsitz und gewöhnlicher Aufenthalt

Natürliche Personen sind in Deutschland nicht mehr unbeschränkt einkommensteuerpflichtig nach § 1 Abs. 1 EStG, sobald sie in Deutschland weder einen Wohnsitz (§ 8 AO) noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt (§ 9 AO) haben. Die Rechtsprechung stellt jedoch nur geringe Anforderungen an die Erfüllung der beiden Begriffe, sodass ein Wohnsitz oder ein gewöhnlicher Aufenthalt im steuerlichen Sinne sehr schnell errichtet ist. Insbesondere bei starker Bindung an Deutschland, sei es aus unternehmerischen oder familiären Gründen, droht die Gefahr eines gescheiterten Wohnsitzwechsels mit ggf. für den Steuerpflichtigen sehr nachteiligen Folgen.

Nach § 8 AO hat jemand seinen Wohnsitz dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Kennzeichnend für eine Wohnung ist, dass diese zum Wohnen geeignet sei, wobei auch eine bescheidene Bleibe ausreiche. Kennzeichnend für eine Wohnung ist, dass es sich – i.S. einer bescheidenen Bleibe – um Räume handelt, die zum Bewohnen geeignet sind. Dabei ist es für das Vorliegen eines Wohnsitzes im Inland ohne Bedeutung, ob dieser den Mittelpunkt der Lebensinteressen der betreffenden Person bildet.[2] Nach ständiger Rechtsprechung müsse die Wohnung dem Steuerpflichtigen objektiv jederzeit, immer wenn er dies wünsche, als Bleibe zur Verfügung stehen, und subjektiv von ihm zu einem jederzeitigen Wohnaufenthalt bestimmt sein.

Nach Auffassung des BFH liegt bereits ein Wohnsitz vor, wenn der Steuerpflichtige ein möbliertes Zimmer zur Benutzung bereithält, in dem sich persönliche Gegenstände befinden.[3] Der wegzugswillige Steuerpflichtige ist daher gehalten, die selbst genutzte Immobilie zu verkaufen oder sehr langfristig zu vermieten, um einen steuerlichen Wohnsitz in Deutschland zu vermeiden. Hierbei reicht die Vermietung an volljährige Familienangehörige zwar grundsätzlich aus, solange sie nicht nur zum Schein erfolgt.[4] Jedoch muss die Vermietung von langer Dauer sein. So reichten nach Ansicht des FG Hamburg zehn Monate Vermietungsdauer nicht aus, um eine Aufgabe des Wohnsitzes anzunehmen.[5] Demgegenüber hat der BFH bei einer Vermietungsdauer von 27 Monaten die Aufgabe des Wohnsitzes bejaht.[6] Nicht erforderlich ist, dass der Mittelpunkt der Lebensinteressen in Deutschland liegt.[7]

Nach Ansicht der Finanzverwaltung[8] genügt es, dass die Wohnung z.B. über Jahre hinweg jährlich regelmäßig zweimal zu bestimmten Zeiten über einige Wochen benutzt wird.[9] Anhaltspunkte dafür können die Ausstattung und Einrichtung sein; nicht erforderlich ist, dass sich der Steuerpflichtige während einer Mindestanzahl von Tagen oder Wochen im Jahr in der Wohnung aufhält.[10] Wer eine Wohnung von vornherein in der Absicht nimmt, sie nur vorübergehend (weniger als sechs Monate) beizubehalten und zu benutzen, begründet dort keinen Wohnsitz.[11] Auch gelegentliches Übernachten auf einem inländischen Betriebsgelände, in einem Büro u.Ä. (sog. Schlafstelle) kann dort keinen Wohnsitz begründen.[12] Wer sich – auch in regelmäßigen Abständen – in der Wohnung eines Angehörigen oder eines Bekannten aufhält, begründet dort ebenfalls keinen Wohnsitz,[13] sofern es nicht wie im Fall einer Familienwohnung oder der Wohnung einer Wohngemeinschaft gleichzeitig die eigene Wohnung ist.

Der BFH hat in seiner Entscheidung vom 23.10.2018[14] festgehalten, dass die unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland unabhängig davon verwirklicht sein kann, ob Tätigkeiten im In- oder Ausland ausgeübt werden. Selbst ein Lebensmittelpunkt im Ausland schließe die Annahme eines Wohnsitzes und damit eine unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland nicht aus. Weiterhin hat nach Ansicht der Finanzverwaltung[15] auch derjenige im Inland einen Wohnsitz i.S.v. § 8 AO, wer einen Wohnsitz im Ausland begründet und seine Wohnung im Inland beibehält.[16] Bei einem ins Ausland versetzten Arbeitnehmer ist ein inländischer Wohnsitz widerlegbar zu vermuten, wenn er seine Wohnung im Inland beibehält, deren Benutzung ihm möglich ist und die nach ihrer Ausstattung jederzeit als Bleibe dienen kann.[17] Das Innehaben der inländischen Wohnung kann n...

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