Der behinderte Erbe wird im Rahmen des Vor- und Nacherbenmodells zum Mit-/Vorerben (§§ 2100 ff. BGB) auf Lebenszeit eingesetzt. Die Einsetzung erfolgt regelmäßig als nicht befreiter Vorerbe, damit dem Behinderten dann nur die Nutzungen der Erbschaft, nicht aber die Nachlasssubstanz zur eigenen Verwendung zusteht, §§ 2111 Abs. 1 S. 1, 2134 BGB. Die Einsetzung zum Mit-/Erben ist zunächst bereits deshalb wichtig, da im Falle einer Enterbung bei nach § 2303 BGB berechtigten Personen andernfalls Pflichtteilsansprüche entstehen könnten, die gem. § 93 SGB XII auf den Sozialleistungsträger überleitbar wären. Mit der Einsetzung als Vorerbe kann der Erblasser zudem den Vermögensfluss über mehrere Generationen hinweg steuern. Der Nachlass bildet ein vom Eigenvermögen des Vorerben zu trennendes Sondervermögen.[14] Er unterliegt daher beim Tod des Vorerben keiner zufälligen (im Falle einer die Testierfähigkeit ausschließenden geistigen Behinderung gesetzlichen) Erbfolge. Zu Nacherben sind vielmehr die vom Erblasser ausgewählten Personen bestimmt.

Entscheidend ist, dass der Behinderte mit einer Quote zum Mit-/Vorerben eingesetzt wird, die jedenfalls nicht unterhalb seiner Pflichtteilsquote liegen darf. Auf diese Weise wird ein Zugriff des Sozialleistungsträgers auf den Pflichtteil verhindert. Die Zugriffsmöglichkeit bestünde andernfalls über § 93 Abs. 1 SGB XII. Zwar ist es dem Sozialleistungsträger infolge der Höchstpersönlichkeit und der Rechtsnatur des Ausschlagungsrechts als Gestaltungsrecht verwehrt, den Pflichtteilsanspruch nach § 2306 Abs. 1 BGB selbst zum Entstehen zu bringen.[15] Allerdings besteht in den Fällen einer quotal zu geringen Erbeinsetzung die Gefahr, dass die Ausschlagung durch den gesetzlichen Vertreter des Behinderten geltend gemacht wird. Wird die Ausschlagung durch das Gericht gem. § 1822 Nr. 2 BGB genehmigt, kann der dann entstandene Pflichtteilsanspruch übergeleitet werden. Selbst im Falle einer Annahme der Erbschaft ist die Überleitungsgefahr nicht gebannt. Es entstünde in diesem Fall nämlich ein sog. Pflichtteilsrestanspruch (§ 2305 BGB), der als echter Pflichtteilsanspruch[16] ebenfalls überleitbar wäre, wobei gem. § 2305 S. 2 BGB die den Behinderten an sich schützenden letztwilligen Beschränkungen (Vor- und Nacherbschaft sowie Dauertestamentsvollstreckung) bei der Berechnung des Anspruchs außer Ansatz blieben. Folgt man der Werttheorie[17], die die h.M. jedenfalls bei anrechnungs- und ausgleichungspflichtigen Vorempfängen (§§ 2315, 2316 BGB) im Rahmen des § 2305 BGB als anwendbar ansieht, kann dies die Höhe des überleitbaren Pflichtteilsrestanspruchs zum Nachteil des Behinderten weiter beeinflussen.

Eine Erbeinsetzung oberhalb der Pflichtteilsquote ist nach Änderung des § 2306 BGB im Zuge der Erbrechtsreform[18] für alle Erbfälle seit 01.01.2010 zumindest dogmatisch an sich nicht mehr erforderlich. Schließlich entfällt seitdem die Gefahr des automatischen Wegfalls aller Beschwerungen und Beschränkungen nach § 2306 Abs. 1 S. 1 BGB a.F. bei einer Erbeinsetzung in Höhe der Pflichtteilsquote. Nach Auffassung der Verfasserin ist aber auch in diesen Fällen bei der Gestaltung von Behindertentestamenten Vorsicht geboten. Zwar entspricht eine Ausschlagung regelmäßig nicht dem Wohl des Betroffenen. Maßgeblich ist vielmehr der konkrete Verteilungsplan[19] der letztwilligen Verfügung und die Intention des Erblassers, die wirtschaftliche Lebensstellung des Behinderten über Sozialhilfeniveau zu verbessern. Auch die Zahlung der Heimkosten aus Eigenmitteln des Betreuten (in denen die Beteiligung am Nachlass aufgeht) stellt keinen Grund für eine gerichtliche Genehmigung der Ausschlagung dar.[20] Dennoch ist in diesen Fällen bei der durch das Gericht zu prüfenden Genehmigungsfähigkeit ein gewisser Interpretationsspielraum eröffnet. Auch wenn die Genehmigung der Ausschlagung der Ausnahmefall bleiben dürfte, so gilt es doch vor dem Hintergrund einer rechtssicheren Gestaltung auch diesen Ausnahmefall – und sei er auch noch so unwahrscheinlich – zu vermeiden. Auf der sicheren Seite bewegt sich die Gestaltung von Behindertentestamenten jedenfalls dann, wenn die Erbeinsetzung oberhalb der Pflichtteilsquote erfolgt.

Hiervon unabhängig zu beurteilen ist die Frage danach, ob es Sinn macht, die Quote in der letztwilligen Verfügung konkret zu beziffern. Auch eine in der letztwilligen Verfügung konkret benannte Erbquote oberhalb der Pflichtteilsquote kann sich nämlich als problematisch erweisen. Immerhin stehen zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung der Kreis der gesetzlichen Erben und damit auch die Pflichtteilsquoten der betroffenen Personen noch gar nicht abschließend fest. Vorverstirbt beispielsweise eine Person aus dem Kreis der erb- und pflichtteilsberechtigten Personen und kommt es in der Folge zu einer Erhöhung der Pflichtteilsquote des behinderten Angehörigen, kann sich die bei Testamentserrichtung konkret benannte und damals oberhalb der Pflichtteilsquote liegende Erbeinsetzung nachträglich als zu niedrig erweise...

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