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Wird der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft durch den Tod eines Ehegatten beendet, so erfolgt der Ausgleich des Zugewinns nach § 1371 Abs. 1 BGB – der eine nicht ganz unproblematische Verknüpfung von Ehegüterrecht und Ehegattenerbrecht normiert[1] – dadurch, dass sich der gesetzliche Erbteil des überlebenden Ehegatten um ein Viertel der Erbschaft erhöht (wobei es unerheblich ist, ob die Ehegatten im Einzelfall überhaupt einen Zugewinn erzielt haben).

[1] So Palandt/Brudermüller, § 1371 BGB Rn 1: "Der vom Gesetzgeber gewählte Formelkompromiss fügt sich harmonisch weder ins Güterrecht noch ins Erbrecht ein".

1. Problemstellung

Bei Sachverhalten mit Auslandsbezug hängt die Anwendbarkeit der Regelung des § 1371 Abs. 1 BGB von ihrer kollisionsrechtlichen Qualifikation ab.

Lebten die Ehegatten nämlich im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft nach § 1363 BGB[2] – d. h. wird das Vermögen der beiden Ehegatten[3] nach § 1363 Abs. 2 BGB nicht gemeinschaftliches Vermögen[4] –, gelangt aber nach dem Tod des Erstverstorbenen auf der Grundlage Internationalen Privatrechts ausländisches Erbrecht zur Anwendung (vgl. Art. 25 EGBGB mit dem grundsätzlichen Verweis auf die EuErbVO[5]), ist fraglich, ob sich die Erbquote des überlebenden Ehegatten (mangels Rechtswahl nach Art. 22 EuErbVO) nach dem ggf. anwendbaren ausländischen Erbrecht (vgl. die allgemeine Kollisionsregel des Art. 21 EuErbVO)[6] um ein (pauschaliertes) Viertel nach deutschem Güterrecht (§ 1371 Abs. 1 BGB) erhöht.

Gelangt hingegen deutsches Erbrecht zur Anwendung (aufgrund Rechtswahl oder "gewöhnlichem Aufenthalt" des Erblassers, vgl. Art. 22 und 21 EuErbVO), lebten die Ehegatten allerdings in einem ausländischen Güterstand (vgl. Art. 15 EGBGB, ab dem 29.1.2019 stattdessen die europäischen Güterstandsverordnungen[7], die EuEheGüVO[8] bzw. die EuPartGüVO[9]) ist vice versa fraglich, ob die dann nach deutschem Erbrecht zu bestimmende Erbquote des überlebenden Ehegatten[10] – trotz des zur Anwendung gelangenden ausländischen Güterrechts – eine (pauschale) Erhöhung um ein Viertel nach § 1371 Abs. 1 BGB erfährt.

[2] Weil sie durch Ehevertrag gemäß § 1408 BGB nicht etwas anderes vereinbart hatten, nämlich Gütertrennung iSv § 1414 BGB (Palandt/Brudermüller, § 1414 BGB Rn 1) bzw. Gütergemeinschaft iSv § 1415 BGB (Palandt/Brudermüller, § 1415 BGB Rn 1).
[3] Auch das Vermögen, das ein Ehegatte nach der Eheschließung erwirbt.
[4] Der Zugewinnausgleich findet erst mit Beendigung der Zugewinngemeinschaft statt.
[5] VO (EU) Nr. 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.7.2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses (EuErbVO).
[6] Anwendbarkeit des Rechts des Staates auf die gesamte Rechtsnachfolge von Todes wegen, in dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen "gewöhnlichen Aufenthalt" hatte.
[7] Dazu näher Ring/Olsen-Ring, Das Kollisionsrecht nach den neuen Europäischen Güterrechtsverordnungen (Rom IVa- und Rom IVb-VO), NotBZ 2017, 321; Dies., Die neuen EU-Güterrechtsverordnungen (Rom IVa- und Rom IVb-VO), § 1 – Quellen des Europäischen und Internationalen Familienrechts, Rn 82 f, in: Süß/Ring, Eherecht in Europa, 3. Aufl. 2017.
[8] VO (EU) 2016/1103 des Rates vom 24.6.2016 zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Zuständigkeit, des anzuwendenden Rechts und der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Fragen des Ehelichen Güterstands (ABl. L 183 vom 8.7.2016, S. 1; L 113 vom 29.4.2017, S. 62 [EuEheGüVO]).
[9] VO (EU) 2016/1104 des Rates vom 24.6.2016 zur Durchführung der Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Zuständigkeit, des anzuwendenden Rechts und der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Fragen güterechtlicher Wirkungen eingetragener Partnerschaften (ABl. L 183 vom 8.7.2016, S. 30; L 113 vom 29.4.2017, S. 62 [EuPartGüVO]).
[10] Vgl. § 1931 Abs. 1 S. 1 BGB (zur Berechnung des gesetzlichen Erbteils Palandt/Weidlich, § 1931 BGB Rn 3 ff.), wonach der überlebende Ehegatte des Erblassers neben Verwandten der ersten Ordnung gemäß § 1924 BGB zu einem Viertel, Verwandten der zweiten Ordnung nach § 1925 BGB oder neben Großeltern zur Hälfte der Erbschaft als gesetzlicher Erbe berufen ist – und nach § 1931 Abs. 2 BGB beim Fehlen von Erben der ersten oder zweiten Ordnung bzw. von Großeltern die ganze Erbschaft erhält.

2. Die kollisionsrechtliche Qualifikation des § 1371 Abs. 1 BGB

Die kollisionsrechtliche Qualifikation des § 1371 Abs. 1 BGB war lange umstritten. Dabei gehen die Meinungen auseinander, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen der pauschalierte Zugewinnausgleich durch Erhöhung des Erbteils zu erfolgen hat, wenn aufgrund eines kollisionsrechtlichen Auseinanderfallens von Güter- und Erbstatut neben deutschem Güterrecht ausländisches Erbrecht zur Anwendung berufen ist.[11]

[11] BGHZ 205, 290, juris Rn 20.

2.1 Meinungsstreit

Nach der wohl hM wurde § 1371 Abs. 1 BGB bis zur Entscheidung des EuGH in der Rec...

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