Vor allem ältere Verwaltungsanordnungen räumen dem Testamentsvollstrecker ein sehr weites Ermessen bei der Mittelverwendung für den Behinderten ein. Im Urteil des BSG vom 17.2.2015 ging es um eine solch weite Anordnung.[85] Das BSG anerkennt die erbrechtliche Lage und verneint das Vorhandensein von bereiten Mitteln im Sinne des Sozialrechts: denn der Testamentsvollstrecker darf "von einer im Testament enthaltenen Anordnung nicht ohne Weiteres abweichen, und der Erbe kann ein bestimmtes Verhalten des Testamentsvollstreckers nur mittels einer Klage erzwingen, z. B. wenn der Testamentsvollstrecker sein ihm eingeräumtes Ermessen anders ausübt als der Erbe meint, dass es ausgeübt werden sollte. … Diese Anordnung bewirkt seitens der Klägerin keinen gesicherten Anspruch gegenüber dem Testamentsvollstrecker auf einen bestimmten monatlichen Betrag aus dem Erbe und erst recht nicht eine Verfügbarkeit über das gesamte Erbe durch sie."[86]

ME hat das BSG damit derart weite Klauseln grundsätzlich akzeptiert. Doering-Striening aber sieht hier das Problem, dass das BSG zur Prüfung der "Raten nach seinem Ermessen" keine Gelegenheit mehr hatte.[87] Man muss also vorsichtig sein und jeden Einzelfall betrachten, auch wenn das Urteil für den Erbrechtler positiv ist. Nach welchen Maßstäben soll man die Frage entscheiden, ob ein Korrekturantrag notwendig ist? Das BSG hat die erbrechtliche Gestaltung anerkannt, sodass wir den Formulierungsvorschlag von J. Mayer für unsere Frage nutzbar machen können: Jedenfalls dann, wenn die Ermessensausübung des Testamentsvollstreckers mit dem Ziel der Anordnung, der Besserstellung des Behinderten jenseits der Sozialhilfe, verknüpft ist, wird das Ermessen des Testamentsvollstreckers auch sozialrechtlich zu akzeptieren sein.[88] Diese Verknüpfung kann sich ggf. auch über die Auslegung mithilfe des § 2084 BGB ergeben, s. o. Im Zweifel sollte man den Korrekturantrag stellen unter Einbezug der heutigen beispielhaften Einzelaufzählung der Verwendungszwecke.

[85] Urt. v. 17.2.2015, Az B 14 KG 1/14 R, Tz 2 bei juris: "Der Testamentsvollstrecker soll AG und ihrem Kind nach Möglichkeit aus den Früchten des Vermögens dauerhafte Zuwendungen sichern. Er soll versuchen, den Stamm des ererbten Vermögens zu erhalten. Ist dies nach seinem freien Ermessen untunlich, soll er das ererbte Vermögen in angemessenen, seiner freien Ermessensentscheidung unterliegenden Raten an die Erbin auszahlen."
[86] AaO Tz 23 und 24 des Urteils.
[87] Doering-Striening, ZErb 2017, 95, 103.
[88] "Der Testamentsvollstrecker wird angewiesen, … so zuzuwenden, dass er (der Behinderte, Anm. d. Verf.) hierdurch gegenüber den etwa ihn gewährten Sozialleistungen … eine Verbesserung der Lebensqualität erfährt. … Unter Beachtung dieser Zielsetzung entscheidet der Testamentsvollstrecker nach seinem freien Ermessen …"; J. Mayer in: Mayer/Bonefeld, Testamentsvollstreckung, 4. Aufl., § 22 Rn 58. Inwieweit die Einzelfallaufzählung der Zuwendungszwecke hier bedeutsam ist, ist eine offene Frage.

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