Ein weiteres komplementäres Grundprinzip, das für steuerbegünstigte Stiftungen gilt, ist das Gebot der zeitnahen Mittelverwendung gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 5 AO. Hiernach müssen Erträge des Stiftungsvermögens zeitnah im Sinne des Stiftungszwecks verwendet werden.[39] Auch hiervon ist eine Ausnahme anerkannt, und zwar dann, wenn andernfalls das Gebot der Vermögenserhaltung nicht gewährleistet werden kann. Verluste im Stiftungsvermögen können dann durch Thesaurierung der Vermögenserträge ausgeglichen werden.[40] Dies sollte allerdings im Einvernehmen mit der Aufsichtsbehörde,[41] jedenfalls aber mit dem Finanzamt erfolgen.

Wenn der Testamentsvollstrecker kein Stiftungsorgan ist, könnte man zu der Befürchtung gelangen, dass er sich über das Gebot der zeitnahen Mittelverwendung hinwegsetzen und die Vermögenserträge unkontrolliert thesaurieren könnte.

Wie aber unter 4. schon dargelegt, ist der Testamentsvollstrecker zum einen an die gesetzlichen Rahmenbedingungen gebunden, die für einzelne Nachlassgegenstände und/oder den Erben gelten. Zum anderen widerspräche aber auch die unkontrollierte Thesaurierung dem Erblasserwillen, der, wie bereits dargestellt, den Stiftungszweck sowie die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben für die Stiftung mit umfasst. In der Ausübung seines Ermessens müsste sich der Testamentsvollstrecker – jedenfalls über seine Bindung an den Erblasserwillen – auch von den stiftungsrechtlichen Vorgaben leiten lassen. Im Wege der Auslegung ist in der Verfügung zugunsten der Stiftung jedenfalls auch eine Anordnung des Erblassers enthalten, die Stiftungszwecke und das Wohl der Stiftung zu berücksichtigen und zu fördern. Die Einhaltung dieser Anordnung kann nötigenfalls auch über § 2216 Abs. 2 BGB erzwungen werden.[42] Handelt es sich bei der Stiftung um eine Körperschaft, die steuerbegünstigte Zwecke im Sinne von § 51 ff AO verfolgt, ist der Testamentsvollstrecker mithin auch verpflichtet, die steuerlichen Vorgaben zu erfüllen.

Eine Kontrolle erfolgt insoweit auch über den Anspruch der Stiftung als Erbin (bzw. Vermächtnisnehmerin) auf eine ordnungsgemäße Verwaltung gemäß § 2216 Abs. 1 BGB.[43] Eine ordnungsgemäße Verwaltung hat sich neben der Erhaltung und Vermehrung des Vermögens an den Interessen der Erben bzw. Vermächtnisnehmer zu orientieren. Erträge des Nachlasses sind zumindest so weit herauszugeben, als es für den Unterhalt der Erben erforderlich ist.[44] Das zur Zweckverwirklichung erforderliche Vermögen ist wegen seiner existenziellen Bedeutung für die Stiftung mit dem Unterhalt gleichzusetzen und kann daher vom Testamentsvollstrecker im Rahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung herausverlangt werden.[45] Wenn die Stiftungsaufsicht oder das Finanzamt der Thesaurierung widerspricht, ist davon auszugehen, dass der Testamentsvollstrecker seine Pflicht zu ordnungsgemäßer Verwaltung verletzt, wenn er dennoch die Erträge des Nachlasses thesauriert. Dies würde selbstredend – auch als Verstoß gegen den Erblasserwillen – auch einen Entlassungsgrund im Sinne des § 2227 BGB darstellen.[46]

Ein grundloses Thesaurieren des Testamentsvollstreckers kann also verhindert werden.

[39] Koenig in Pahlke/Koenig, AO, 2. Aufl. 2009, § 55 Rn 28.
[40] Vgl. Hof in Seifart/v. Campenhausen, § 9 Rn 137 ff.
[41] Peiker, S. 58, hält hierfür sogar die Genehmigung der Aufsichtsbehörde für erforderlich.
[42] Vgl. schon im vorherigen Absatz sowie Bengel/Reimann, Kap. 5 Rn 298.
[43] Aus § 2219 Abs. 1 BGB folgt, dass der Anspruch aus § 2216 Abs. 1 BGB auch für den Vermächtnisnehmer gilt, vgl. Zimmermann, MüKo, § 2216 Rn 3.
[44] Reimann, Staudinger, § 2216 Rn 11.
[45] Vgl. Arnhold, S. 161.
[46] Zu der Frage der Durchsetzbarkeit eines solchen Anspruchs/Entlassungsgrundes vgl. unten unter VII. 2.

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