Leitsatz

1. Die Einkommensteuer des Todesjahres des Erblassers kann selbst dann nicht als Nachlassverbindlichkeit im Rahmen der Erbschaftsteuererklärung abgezogen werden, wenn der Erblasser am 31.12. um 0.15 Uhr verstirbt, weil sie zum maßgeblichen Stichtag noch nicht entstanden ist. Denn die Einkommensteuer entsteht nicht am letzten Tage des Veranlagungszeitraums, sondern mit Ablauf des Veranlagungszeitraums, d. h. am 31.12., 24 Uhr.

2. Der Begriff des Veranlagungszeitraums ist abzugrenzen vom einkommensteuerlichen Einkünfteermittlungszeitraum. Die persönliche Steuerpflicht endet zwar mit dem Tode des Steuerpflichtigen, sodass die Einkünfte nur für den Zeitraum bis zum Ableben des Steuerpflichtigen zu ermitteln sind. Veranlagungszeitraum ist demgegenüber auch im Falle des Todes des Steuerpflichtigen das gesamte Kalenderjahr.

FG Niedersachsen, Beschluss vom 23. Februar 2011 – 3 K 332/10

Sachverhalt

Streitig ist die Frage, ob die Einkommensteuer des Todesjahres des Erblassers als Nachlassverbindlichkeit abgezogen werden kann.

Die Klägerin ist Tochter und Miterbin zu 1/2 nach dem am 31. Dezember 2004, 0.15 Uhr verstorbenen L. Die Ehefrau von L. war bereits am 13. November 2004 vorverstorben. Weitere Miterbin ist die zweite Tochter des Erblassers. Das Finanzamt B. hat gegenüber den Erben nach den verstorbenen Eheleuten L. Einkommensteuer für 2004 festgesetzt. Der entsprechende Bescheid ist mehrfach geändert worden. Im aktuellen Bescheid vom 3. Januar 2011 wird Einkommensteuer in Höhe von 1.848.591,– EUR, Kirchensteuer in Höhe von 145.246,60 EUR und Solidaritätszuschlag in Höhe von 101.672,50 EUR festgesetzt. Die verstorbenen Eheleute L. haben im Jahre 2004 Einkommensteuervorauszahlungen in Höhe von 258.066,– EUR geleistet.

In der am 21. März 2006 beim Beklagten eingereichten Erbschaftsteuererklärung machten die Erben die Einkommensteuer 2004 entsprechend dem damals aktuellen Einkommensteuerbescheid in Höhe von 1.793.502,– EUR als Nachlassverbindlichkeiten geltend.

Der Beklagte erließ unter dem Datum des 8. Februar 2007 einen Erbschaftsteuerbescheid, in dem er die Besteuerungsgrundlagen erklärungsgemäß berücksichtigte. Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

Mit Schreiben vom 29. Juli 2008 beantragte die Klägerin die Änderung des Erbschaftsteuerbescheids gem. § 164 Abs. 2 AO. U. a. machte sie geltend, die Einkommensteuerschuld 2004 habe nur 1.791.926,85 EUR betragen.

Mit Datum des 22. September 2008 änderte der Beklagte den Erbschaftsteuerbescheid und setzte die Erbschaftsteuer herauf. Dies beruhte darauf, dass er die Einkommensteuer 2004 nicht mehr als Nachlassverbindlichkeit anerkannte. Der dagegen gerichtete Einspruch hatte keinen Erfolg.

Im Klageverfahren vertritt die Klägerin weiterhin die Auffassung, dass die Einkommensteuer 2004 als Nachlassverbindlichkeit abgezogen werden könne. Die Einkommensteuerschuld sei bereits im Zeitpunkt des Todes von L. entstanden. Zwar entstehe die Einkommensteuer, soweit im Gesetz nichts anderes bestimmt sei, mit Ablauf des Veranlagungszeitraums; Veranlagungszeitraum sei das Kalenderjahr. Sterbe aber der Steuerpflichtige vor Ablauf des Kalenderjahres, so würde abweichend davon die Steuer bereits im Todeszeitpunkt entstehen. Voraussetzung der Einkommensteuerpflicht sei das Vorhandensein eines Steuersubjekts und eines Steuerobjekts. Sterbe der Erblasser, so entfalle das Steuersubjekt, sodass für den restlichen Teil des Jahres mangels Steuersubjekts keine Einkommensteuer mehr entstehen könne. Es greife deshalb nicht die Grundregel des § 36 Abs. 1 EStG, sondern es sei iSd § 36 Abs. 1 EStG etwas "anderes bestimmt". Zudem liege ein verkürzter Einkünfteermittlungszeitraum vor, sodass die Einkommensteuerveranlagung unmittelbar mit dem Tod des Erblassers durchgeführt werden könne. Dies sei ursprünglich in § 25 Abs. 2 EStG geregelt gewesen. Durch die Aufhebung dieser Rechtsnorm habe sich nichts geändert, weil der Gesetzgeber dieses Ergebnis als nicht regulierungsbedürftige Selbstverständlichkeit angesehen habe.

Im Streitfall komme hinzu, dass L. am 31. Dezember 2004 gestorben sei. Es könne nicht darauf ankommen, ob er das Jahresende noch erlebt habe oder wenige Stunden zuvor verstorben sei.

Es sei mit der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit nicht zu vereinbaren, wenn der Erbe das vom Erblasser im Todesjahr erwirtschaftete Vermögen zu versteuern habe, nicht aber die darauf lastende Einkommensteuer abziehen könne. Bei der Erbschaftsteuer sei vielmehr die Nettobereicherung zu berücksichtigen. Eine Ungleichbehandlung sieht die Klägerin auch darin, dass zwar Einkommensteuervorauszahlungen abgezogen werden könnten, nicht aber die Schlusszahlung an Einkommensteuer.

Die Entscheidung des BFH vom 16. Januar 2008 stehe dem nicht entgegen. Denn in diesem Fall hätte ein Ehegatte, mit dem der Erblasser zusammen veranlagt worden sei, überlebt. Insofern sei für den Rest des Kalenderjahres noch ein Steuersubjekt vorhanden.

Betragsmäßig berechne sich die als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähige ...

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