Die Eheleute hätten daher insoweit im gesetzlichen Güterstand des türkischen Rechts gelebt. Gesetzlicher Güterstand war in der Türkei bis zum 1. Januar 2002 die Gütertrennung. Ab diesem Zeitpunkt hat die Türkei einen gesetzlichen Güterstand, der vom OLG Hamm als "Errungenschaftsgemeinschaft" bezeichnet wird, eingeführt. Anders als die Bezeichnung vermuten lässt, handelt es sich bei dem gesetzlichen Güterstand des türkischen Rechts aber um keine Form der Gütergemeinschaft. Vielmehr bleibt während der Dauer der Ehe und auch nach Beendigung des Güterstands das Vermögen beider Ehegatten weiterhin getrennt. Das Vermögen jedes Ehegatten wird in je zwei getrennte Gütermassen aufgeteilt: Die Errungenschaft (Art. 219 türkisches Zivilgesetzbuch – "TZGB") und das Eigengut (Art. 220 TZGB) des Ehemannes und der Ehefrau. Das türkische Güterrecht differenziert also wie die italienische Gütergemeinschaft und die Errungenschaftsgemeinschaft französischen Rechts zwischen ehelichem und in die Ehe eingebrachtem Vermögen. Es kommt aber zu keiner dinglichen Auseinandersetzung. Vielmehr steht bei Beendigung des Güterstands durch ehevertragliche Vereinbarung, Scheidung oder aber auch durch Tod eines der Ehegatten (Art. 225 TZGB) jedem Ehegatten oder seinen Erben ein Geldanspruch zu, der sich auf die Hälfte des Werts der Errungenschaft des anderen (Art. 236 TZGB) beläuft. Anders als nach der Zugewinngemeinschaft des BGB ist auf diese Weise ein Wertzuwachs des in die Ehe eingebrachten Vermögens nicht ausgleichspflichtig. Beide Ansprüche werden miteinander verrechnet, Art. 236 Abs. 1 TZGB, so dass der Ehegatte, der während der Dauer der Ehe den geringeren Vermögenszuwachs erzielt hat, gegen den anderen einen Anspruch auf Zahlung eines Geldbetrags in Höhe der hälftigen Differenz hat.

Eine Besonderheit ergibt sich aus dem Einführungsgesetz der Türkei zur Neuregelung des Familienrechts im Jahre 2002: Nach dieser Regelung leben Eheleute, die vor dem 1.1.2002 geheiratet haben, bis zum 31.12.2001 im damaligen Güterstand der Gütertrennung,[24] ab dem 1.1.2002 im neuen gesetzlichen Güterstand. Die neuen Regeln gelten aber ausschließlich für das ab dem 1.1.2002 erworbene Vermögen. Somit ist das vor dem Stichtag erworbene Vermögen vom Ausgleich ausgenommen. Etwas anderes gilt allein dann, wenn die Eheleute bis zum 1.1.2003 vereinbart haben, dass für sie die neuen Güterstandsregeln auch hinsichtlich des vor dem 1.1.2003 erworbenen Vermögens gelten sollen, Art. 10 türk. EGZGB.

[24] Unklar bleibt, wieso die Urteilsgründe als vor dem 1.1.2002 geltenden gesetzlichen Güterstand die "Gütergemeinschaft" statt der Gütertrennung erwähnen.

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