Das Urteil enthält eine erstmalige Positionierung des BFH zu den einzelnen Voraussetzungen einer Vollbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 S. 1 Buchst. b ErbStG. Die Entscheidung befasst sich zum einen mit der Frage, welche Anforderungen an das in § 13 Abs. 1 Nr. 2 S. 1 Buchst. b Doppelbuchst. aa ErbStG normierte Kriterium zu stellen sind. Danach ist für die Vollbefreiung erforderlich, dass "der Steuerpflichtige bereit ist, die Gegenstände den geltenden Bestimmungen der Denkmalspflege zu unterstellen". Zum anderen bezieht der BFH Stellung zu der Frage, ob sich sämtliche zur Kunstsammlung gehörenden Einzelstücke zum Erwerbszeitpunkt bereits mindestens 20 Jahre in Familienbesitz befunden haben müssen.

I. Bereitschaft zur Unterstellung unter die Bestimmungen der Denkmalspflege

Der wohl hM in der Literatur folgend hatte das FG Münster in der Vorinstanz (DStR 2015, 694 ff) entschieden, dass der gesetzliche Wortlaut von § 13 Abs. 1 Nr. 2 S. 1 Buchst. b Doppelbuchst. aa ErbStG nicht die tatsächliche Unterschutzstellung nach Maßgabe eines förmlichen Entscheids einer Denkmalbehörde erfordert (eingehend v. Oertzen/Reich, DB 2015, 2353, 2356; Heuer/v. Cube, DStR 2015, 682, 684). Das Gesetz knüpft danach nicht an einen objektiven denkmalrechtlichen status quo, sondern an die Bereitschaft des Steuerpflichtigen, und somit an ein subjektives Tatbestandsmerkmal an. Das zuständige Finanzamt hatte im Besteuerungsverfahren und erstinstanzlich die Vollbefreiung mangels tatsächlicher Unterschutzstellung abgelehnt und war insoweit dem koordinierten Ländererlass des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen gefolgt (vgl. FinMin. Bayern vom 7.4.2004, ZEV 2004, S. 328; H E 13.2 ErbStR 2011).

Unklar war bislang, wie die von der Finanzverwaltung geforderte tatsächliche Unterschutzstellung überhaupt rechtssicher herzustellen ist. Die Bestimmungen der Denkmalspflege sind, getragen vom Gedanken des Kulturförderalismus, Sache der Bundesländer. Die unterschiedliche Handhabung hat darin gemündet, dass die Bestimmungen zur Unterschutzstellung je nach Bundesland unterschiedlich ausgeprägt sind. In manchen Ländern etwa kommt der Eintragung in die Denkmalliste lediglich deklaratorische Wirkung zu. Hier greifen die Schutzbestimmungen des Denkmalschutzgesetzes auch ohne Eintragung für all diejenigen Objekte ein, die den Denkmaltatbestand erfüllen. Vor diesem Hintergrund ließ es das Wirtschaftsministerium Baden-Württembergs genügen, dass der Steuerpflichtige bekundet, er werde die Vorschriften des DSchG-BW einhalten (WM Baden-Württemberg vom 7.5.2003, ZEV 2003, 460). Dagegen muss in den Bundesländern, in denen der Eintragung konstitutive und insoweit rechtsbegründende Wirkung zukommt, der Gegenstand tatsächlich in die Denkmalliste eingetragen sein. Eine tatsächliche Unterschutzstellung, wie sie die Finanzverwaltung fordert, erfordert danach ein Handeln der zuständigen Denkmalsbehörde. Eine einseitige Erklärung des Steuerpflichtigen dürfte in diesen Fällen nicht ausreichen. Ungleich komplexer wird die rechtliche Behandlung indessen in den Fällen, in denen – wie nach dem Denkmalschutzgesetz Berlins – eine Unterschutzstellung von (beweglichen) Kunstgegenständen per se ausgeschlossen ist (§ 2 Abs. 1 DSchG Bln 1995). Die Gefahr des tatbestandlichen Leerlaufens von § 13 Abs. 1 Nr. 2 S. 1 Buchst. b Doppelbuchst. aa ErbStG hatte auch das Bayerische Staatsministerium der Finanzen erkannt und in dem vorgenannten koordinierten Länderlass für derartige Fälle die Eintragung in das Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes verlangt (vgl. H E 13.2 ErbStR 2011).

Nicht zuletzt vor dem Hintergrund des am 23.6.2016 verabschiedeten und zum 6.8.2016 in Kraft getretenen Kulturgutschutzgesetzes erscheint eine solche zwangsweise Verweisung von der Denkmalspflege auf den Abwanderungsschutz unter Berücksichtigung von Art. 3 GG als verfassungsrechtlich fragwürdig. Die Ausfuhr eingetragenen Kulturgutes bedarf nämlich nach § 23 Abs. 1 KGSG – wie bereits nach altem Recht – der behördlichen Genehmigung. Derartige Ausfuhrhemmnisse wirken sich zudem in nicht unerheblichem Maße negativ auf die Preisfindung aus (eingehend hierzu Boll, DStR 2016, 1137, 1141). Im Ergebnis führt die Anwendung des Ländererlasses respektive der Erbschaftsteuerrichtlinien dazu, dass Steuerpflichtige, deren länderspezifisches Denkmalrecht keine Unterschutzstellung der konkreten Kulturgüter ermöglicht, eine Wertminderung ihrer Kulturgüter hinzunehmen hätten, um überhaupt in den Genuss der Vollverschonung zu gelangen. Die ersatzweise Anknüpfung an die nationale Liste erscheint nur schwerlich als mit dem Gleichheitssatz vereinbar (so auch Heuer/v. Cube, ZEV 2008, 565, 570).

Der BFH hat in seinem Urteil in partieller Übereinstimmung mit dem FG Münster zunächst klargestellt, dass hoheitliche Maßnahmen, wie etwa die tatsächliche Unterschutzstellung durch Eintragung in ein Verzeichnis zur Erfüllung der denkmalpflegerischen Anforderungen, nicht erforderlich sind. Bei der Bereitschaft zur Unterschutzstellung handelt es...

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