Das hier besprochene, jüngst ergangene EuGH-Urteil vom 8.6.2016 zum Antragsrecht nach § 2 Abs. 3 ErbStG reiht sich nahtlos in die bisherige Rechtsprechung zu diesem Thema ein und bestätigt ein weiteres Mal die grundlegenden konzeptionellen Mängel dieser Vorschrift. Die Ausübung des Optionsrechts führt zu einer Diskriminierung von EU-/EWR-Bürgern gegenüber Gebietsansässigen: Während sich die Höhe der Erbschaftsteuer bei tatsächlicher unbeschränkter Steuerpflicht unter Berücksichtigung der Vorerwerbe der letzten zehn Jahre ermittelt, kommt es in Fällen der antragsbedingten "fingierten" unbeschränkten Steuerpflicht zu einer Ausweitung des Berücksichtigungszeitraums auf zwanzig Jahre. Wie der EuGH zutreffend festgestellt hat, ist darin ein Verstoß gegen die unionsrechtliche Kapitalverkehrsfreiheit zu sehen, der sich weder mit dem Argument der Wahrung der steuerlichen Kohärenz noch mit zwingenden Erfordernissen des Allgemeininteresses rechtfertigen lässt.[40] Beschränkt steuerpflichtige Personen, welche sich auf Antrag den vollständigen Regelungen der unbeschränkten Steuerpflicht unterwerfen, dürfen demnach in keiner Hinsicht schlechter gestellt werden als im Inland ansässige Erwerber.

E contrario ist es uE nicht sachgerecht, im Drittland ansässigen beschränkt steuerpflichtigen Personen, welche sich mangels Optionsrecht eben nicht diesen umfassenden Regeln der deutschen unbeschränkten Steuerpflicht unterwerfen müssen, die gleichen unverminderten "steuerlichen Begünstigungen" nach § 16 Abs. 1 ErbStG zu gewähren.[41] Denn hierbei handelt es sich offensichtlich nicht um "objektiv vergleichbare Situationen". Die Anwendung des ungekürzten Freibetrags aus § 16 Abs. 1 ErbStG auf beide Personengruppen führt insoweit zu einer verfassungsrechtlich bedenklichen Besserstellung beschränkt steuerpflichtiger gegenüber unbeschränkt steuerpflichtigen Erwerbern.[42] Da gegen beide o. g. erstinstanzlichen Entscheidungen der Finanzgerichte ein Revisionsverfahren beim BFH anhängig ist, bleibt weiter abzuwarten, ob und inwiefern hier eine verfassungskonforme Lösung gefunden wird.

[40] Siehe in diesem Zusammenhang auch das aktuelle EuGH-Urt. v. 30.6.2016 zur Erbschaftsteuerermäßigung nach § 27 ErbStG; EuGH v. 30.6.2016 – Rs. C 123/15 – Feilen, ECLI:EU:C: 2016:496.
[41] Vgl. hierzu o. g. FG-Urt. v. 28.7.2014 und 18.12.2015; uE kann hierbei nicht von "objektiv vergleichbaren Situationen" ausgegangen werden.
[42] Zur Kritik vgl. auch Heurung/Fröhr/Bresgen, ISR 2015, 24.

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