Die Einfügung der Vorschrift des § 2 Abs. 3 ErbStG geht auf die Entscheidung des EuGH vom 22.4.2010 in der Rechtssache "Mattner" zurück.[26] Danach liegt ein Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 56 Abs. 1 EG (nunmehr Art. 63 AEUV) vor, wenn beschränkt Steuerpflichtigen in Deutschland mit Wohnsitz in einem anderen EU/EWR-Mitgliedstaat gem. § 16 Abs. 2 ErbStG nur ein verwandtschaftsunabhängiger, wesentlich geringerer Steuerfreibetrag gewährt wird. Zur Begründung führt der EuGH aus, dass sich die Anwendung des Steuerfreibetrags nach § 16 ErbStG unmittelbar auf die erbschaft- bzw. schenkungsteuerliche Bemessungsgrundlage auswirkt und eine Schenkung unter Gebietsfremden somit grundsätzlich einer höheren Besteuerung unterliegt als derjenigen, wenn zumindest eine Person mit Wohnsitz im Inland beteiligt ist.[27] Als Folge davon kommt es zu einer Minderung des steuerlichen Werts der Schenkung und somit zu einer unionsrechtswidrigen Ungleichbehandlung in- und ausländischer Vermögensübertragungen. Entgegen der vom Finanzamt und der Regierung vertretenen Auffassung lasse sich diese Mehrbelastung gerade nicht damit rechtfertigen, dass es an einer objektiv vergleichbaren Situation fehle.[28] Indem der deutsche Gesetzgeber den beschränkt Steuerpflichtigen – außer in Bezug auf die Höhe des Steuerfreibetrags – gleich behandelt, fehle es an einem sachlichen Differenzierungsgrund für die unterschiedliche Behandlung dieser beiden Personengruppen.[29] Schließlich – so der EuGH weiter – könne die durch § 16 Abs. 2 ErbStG bewirkte Ungleichbehandlung auch nicht mit dem Kohärenzgedanken der deutschen Steuerregelungen legitimiert werden.[30] Dies wäre nach Ansicht des EuGH nur dann zulässig, wenn zwischen dem betreffenden steuerlichen Vorteil und dessen Ausgleich durch eine bestimmte steuerliche Belastung ein unmittelbarer Zusammenhang bestünde. Aufgrund der Tatsache, dass der steuerliche Vorteil eines unverminderten Freibetrags deutschen Gebietsansässigen jedoch unabhängig vom Wert der Schenkung gewährt werde, sei dieser Fall hier gerade nicht gegeben.[31] Darüber hinaus, so hält der EuGH fest, wird der volle Freibetrag auch dann gewährt, wenn nur eine der am Erwerbsvorgang beteiligten Personen ihren Wohnsitz im Inland hat. Diese Regelung gilt unabhängig davon, ob Deutschland nach internationalem Steuerrecht bzw. Abkommensrecht ein Besteuerungsrecht zusteht.[32]

[26] EuGH v. 22.4.2010 – Rs. C-510/08 – Mattner, Slg. 2010, I-3553 = ECLI:EU:C:2010:216
[27] Vgl. EuGH v. 22.4.2010 – Rs. C-510/08 – Mattner, Slg. 2010, I-3553 = ECLI:EU:C:2010:216, Rn 54.
[28] Vgl. hierzu z. B. die Kritik von Jüptner, in : Fischer/Jüptner/Pahlke/Wachter, ErbStG Kommentar, 2014, § 2 Rn 151 mwN.
[29] Vgl. EuGH v. 22.4.2010 – Rs. C-510/08 – Mattner, Slg. 2010, I-3553 = ECLI:EU:C:2010:216, Rn 37 f. Die Höhe der inländischen Schenkungssteuer bemisst sich grundsätzlich unabhängig vom Wohnort des Schenkers oder Schenkungsempfänger nach dem Wert des Vermögengegenstandes sowie dem verwandtschaftlichen Verhältnis der Beteiligten. Insofern darf die Schenkung von im Inland belegenen Vermögensgegenständen unter Gebietsfremden nicht anders behandelt werden als die Schenkung, bei der zumindest einer der Beteiligten in Deutschland ansässig ist.
[30] Vgl. EuGH v. 22.4.2010 – Rs. C-510/08 – Mattner, Slg. 2010, I-3553 = ECLI:EU:C:2010:216, Rn 55.
[31] Ebd. Rn 53.
[32] Ebd. Rn 54.

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