Das EWR-Abkommen[2] vom 2.5.1992 ist ein Assoziierungsabkommen der EU[3] und ihrer Mitgliedsstaaten mit den EFTA-Staaten Island, Liechtenstein und Norwegen. Es hat zum Ziel, zwischen den Vertragsparteien eine beständige und ausgewogene Stärkung der Handels- und Wirtschaftsbeziehungen zu fördern, um einen homogenen Europäischen Wirtschaftsraum zu schaffen.

Die Grundfreiheiten des Abkommens – der freie Warenverkehr, die Freizügigkeit der Arbeitnehmer und Selbständigen und die Niederlassungsfreiheit für natürliche Personen und Gesellschaften, der freie Dienstleistungsverkehr und der freie Kapitalverkehr[4] – haben ihr Vorbild in den Grundfreiheiten des Gemeinschaftsrechts. Dieses EWR-Recht – so immer noch zutreffend Burtscher[5] – spiegelt die Rechtslage in der Gemeinschaft wieder, sodass die EWR-Mitgliedschaft materiellrechtlich einer "Quasi-Teilmitgliedschaft" in der EU sehr nahe kommt. In organisationsrechtlicher Hinsicht sieht das EWR-Abkommen einen EWR-Rat und einen Gemeinsamen EWR-Ausschuss vor. Außerdem haben die EFTA-Staaten eine EFTA-Überwachungsbehörde und einen EFTA-Gerichtshof (EFTA-GH) gegründet.[6] Deren Zuständigkeiten für die EFTA-Staaten entsprechen denen der EU-Kommission und des EuGH für die EU-Mitgliedsstaaten.

Der EuGH[7] hat in seinem Gutachten vom 14.12.1991[8] ausgeführt, der EWR beruhe auf einem völkerrechtlichen Vertrag, der Rechte und Pflichten im Wesentlichen nur zwischen den Vertragsparteien begründe; ihm komme für die Staatsangehörigen der Mitgliedsstaaten keine unmittelbare Wirkung zu. Aber dabei ist es nicht geblieben. Der EFTA-GH[9] hat dem EWR-Abkommen eine unmittelbare Drittwirkung zuerkannt; dem hat sich das Gericht erster Instanz[10] angeschlossen. Ihren Abschluss hat diese Entwicklung in Entscheidungen des EuGH[11] gefunden, wonach die Grundfreiheiten des EWR-Abkommens den gleichen Anwendungsvorrang genießen wie die Grundfreiheiten des Gemeinschaftsrechts.

[2] Dazu Cordewener, FR 2005, 236.
[3] Als Rechtsnachfolgerin der EG (Art. 1 Abs. 3 S. 3 EUV). Die EG ihrerseits war Rechtsnachfolgerin der EWG, die das Abkommen abgeschlossen hat.
[4] Die Kapitalverkehrsfreiheit gilt nicht im Verhältnis zu Drittstaaten, wie das in Art. 63 Abs. 1 AEUV vorgesehen ist.
[5] Das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR), 1992, S. 25.
[6] Im Abkommen zwischen den EFTA-Staaten zur Errichtung einer Überwachungsbehörde und eines Gerichtshofs (ÜGA).
[7] Die im Folgenden zitierten Entscheidungen des EuGH und des EFTA-GH können auf den Webseiten der Gerichte eingesehen werden.
[8] 1/91, Rn 20 f, Slg 1991 I-6079.
[9] V. 10.12.1998, Cl. Rep. 95, E-Gr 59, Sveinbjörnsdottir; v. 30.5.2002, E-4/01, Karlsson.
[10] V. 22.1.1997, Rs T-115/95, Opel Austria, Rn 107.
[11] EuGH v. 23.9.2003 C-452/01, Ospelt und Schlössle Weissenberg, Rn 29 ff; v. 11.6.2009, C-521/07, Kommission/Königreich der Niederlande, Rn 33.

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