Benjamin Leuchten

zerb verlag, 1. Aufl. 2011, 151 Seiten, broschiert, 38,– EUR

Die nachfolgend besprochene Arbeit, zugleich eine Dissertation der Universität Passau, beleuchtet die Miterbenhaftung für Nachlassverbindlichkeiten. Der Verfasser weist darauf hin, dass dem Gesetzesaufbau folgend das erbrechtliche Schrifttum die Haftung der Miterben meist als bloßes Annex zur Haftung der Alleinerben behandele, sodass trotz häufigen Hinweises auf das umgekehrte Regel-Ausnahme-Verhältnis in der Praxis miterbenspezifische Besonderheiten nicht selten zu kurz kämen. Die Arbeit versucht daher eine dogmatische Analyse der beteiligten Interessen im Rahmen der Miterbenhaftung auf der Grundlage des geltenden Rechts (S. 1).

Insoweit seien folgende Einzelpunkte herausgegriffen: Der Autor lehnt in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BGH die Rechtssubjektivität von Erbengemeinschaften ab (S. 34). Er kritisiert insoweit die aktuellen Tendenzen der BGH-Rechtsprechung zu einer Dynamisierung der Erbschaftsverwaltung (vgl. Schindler, ZEV 2011, 322, 323); vielmehr sollte die mit § 2040 Abs. 1 BGB einhergehende Schwerfälligkeit der Erbengemeinschaft in Kauf genommen werden, damit das Hauptanliegen des Gesetzes – die Erhaltung des Sondervermögens Nachlass im Interesse der Nachlassgläubiger – nicht durch eine übermäßige Verkehrsfähigkeit ungeteilter Nachlässe gefährdet werde.

Der Verfasser geht prägnant auf die einzelnen Spielarten von Nachlassverbindlichkeiten ein (S. 39 ff). Mit der hM bejaht er die Existenz sog. Nachlasserbenschulden, die als Folge objektiv ordnungsgemäßer Nachlassverwaltung der Erben ("primäre Nachlasserbenschulden") sowie als gesetzliche Rechtsfolgen schuldhaft begangener Pflichtverletzungen bei der Erfüllung von Nachlassverbindlichkeiten ("sekundäre Nachlasserbenschulden") – allerdings einschränkend: solange die Leistungsstörung nicht Folge ordnungsgemäßen Verwaltungshandelns der Miterben ist – entstehen können (S. 50). Der Rezensent hat die Sonderform einer Erbteilsverbindlichkeit vermisst (hierzu Marotzke, in: Staudinger, BGB, 2010, § 2058 Rn 24 ff), z. B. bei einem Pflichtteilsrestanspruch nach § 2305 BGB, der sich nicht gegen alle Miterben, sondern nur gegen den oder die Miterben des pflichtteilsberechtigten Miterben richtet.

Nach Ansicht des Verfassers hat die Geltendmachung einer der Schonungseinreden nach den §§ 2014, 2015 BGB keinen Einfluss auf die materielle Nachlassschuld, sondern eine rein prozessuale Wirkung (S. 85). Damit ließen sich Fragen der Fälligkeit, der Aufrechnung und des Leistungsstörungsrechts argumentativ besser begründen.

Lesenswert ist die Darstellung (S. 89 ff) der drei relevanten Haftungsabschnitte der Miterbenhaftung: (1) Schwebezustand zwischen Anfall und Annahme der Erbschaft, (2) Haftung des endgültigen Miterben bis zur Nachlassteilung, (3) schließlich Haftung der Miterben nach auseinandergesetzter Erbengemeinschaft. Leuchten definiert die Nachlassteilung wie folgt (S. 94): Die Teilung eines Nachlasses setze kumulativ voraus, dass sein aktiver Bestand nicht mehr zur Berichtigung sämtlicher Nachlassverbindlichkeiten ausreiche und zumindest ein Nachlassgegenstand in die alleinige Verfügungsbefugnis einzelner Miterben übergegangen sei. Habe die dingliche Erbauseinandersetzung noch nicht begonnen, fehle es also unabhängig von der Werthaltigkeit des Nachlasses jedenfalls an einer Teilungsvoraussetzung. Seine Definition erfasst auch die Fälle, in denen Miterben bewusst einen ausreichenden Rückbehalt für Nachlassverbindlichkeiten machen, ohne dass ihnen die Einrede des ungeteilten Nachlasses nach § 2059 Abs. 1 Satz 1 BGB verloren geht (vgl. Schindler, ZEV 2009, 564).

Der Autor schlägt vor, auf die Rechtsfigur der Gesamthandsschuld für die Miterbenhaftung zu verzichten, da die Schuldstruktur der Erbengemeinschaft sich ohne Weiteres auf das Gesamtschuldmodell gem. § 2058 BGB zurückführen lasse (S. 97). Beim Miterbennachlassgläubiger geht er entgegen der hM davon aus, dass sich Eigenforderung und Nachlassschuld in der Person eines Miterben vereinigen, sodass die Forderung erlischt und die Konfusion zugunsten aller Miterben wirkt. In der Folge hätte der Miterbengläubiger nach dem Rechtsgedanken des § 426 BGB Regressansprüche gegen die übrigen Mitglieder der Erbengemeinschaft, wobei Anspruchsinhalt jeweils die Gesamtforderung abzüglich des Teils, der dem eigenen Erbteil entspricht, wäre (S. 110). Sein Verständnis einer reinen Gesamtschuldkonzeption der Erbengemeinschaft wirkt sich insbesondere auf prozessualer Ebene aus. Aufgrund der Überschneidung der Streitgegenstände hält er eine gleichzeitige Erhebung von Gesamthandsklage und Gesamtschuldklage für ausgeschlossen (S. 112) – den Sonderfall eines Miterbennachlassgläubigers, dem nur eine Gesamthandsklage den sofortigen vollständigen Zugriff auf den Nachlass ermöglicht (vgl. Schindler, ZEV 2011, 295, 298) hat er dabei nicht im Blick.

Das Buch ist in flüssigem Stil geschrieben und hervorragend lesbar. Dem Autor gelingt es, Streitstände pointiert...

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