I. § 2057 a Absatz 1 Satz 2 BGB aF

Es kann gemäß § 2057a Absatz 1 Satz 2 BGB bei einer Mehrheit von Erben eine Ausgleichungspflicht bei besonderen Leistungen eines Abkömmlings bestehen. So ordnete der 1970 eingefügte § 2057a Absatz 1 Satz 2 BGB[20] nach Billigkeitsgesichtspunkten eine Honorierung von Pflegeleistungen insofern an, als ein Abkömmling, der unter Verzicht auf berufliches Einkommen den Erblasser während längerer Zeit gepflegt hat und damit in besonderem Maße dazu beitrug, das Vermögen des Erblassers zu erhalten oder vermehren, bei der Erbauseinandersetzung eine Ausgleichung unter den Abkömmlingen verlangen kann.[21] § 2057a Absatz 1 Satz 2 BGB aF war, was die Honorierung von Pflegeleistungen betrifft, ziemlich eng gefasst. So findet diese Bestimmung eben nur bei Abkömmlingen Anwendung und sofern die Pflegeleistung unter Verzicht auf berufliches Einkommen erfolgte. Im Hinblick auf die Anforderung des Verzichts auf berufliches Einkommen wurden in der Praxis relevante Pflegefälle vom Gesetz nicht berücksichtigt. So waren etwa Kinder, die keinen Beruf ausübten, und nicht auf Einkommen verzichteten, nicht ausgleichungsberechtigt.[22]

Problematisch ist zudem vor dem Hintergrund der Unbestimmtheit der Begriff "längere Zeit" in § 2057a Absatz 1 BGB. Regelmäßig muss es sich im Übrigen hinsichtlich der Pflege, um eine Ausgleichung verlangen zu können, um eine Sonderleistung und nicht nur eine gelegentliche Gefälligkeit handeln.[23] Die Höhe des Ausgleichungsbetrags ist gemäß § 2057a Absatz 3 BGB so zu bemessen, "wie es mit Rücksicht auf die Dauer und den Umfang der Leistungen und auf den Wert des Nachlasses der Billigkeit entspricht." Eine genaue Nachrechnung der Leistung des Abkömmlings und der Bereicherung des Erblasservermögens erfolgt damit nicht. Auch wenn bei der Höhe der Ausgleichung Dauer und Umfang der Pflegetätigkeit zu berücksichtigen sind,[24] steht jeder Richter mangels genauerer und transparenter Anhaltspunkte bei der Berechnung der Ausgleichung vor schwierigen Aufgaben. Insgesamt existiert wegen der in § 2057a BGB enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriffe, die nach Ermessen des Gerichts entschieden werden, eine gewisse Rechtsunsicherheit.[25] So führte die Billigkeitsregelung vermutlich auch zu einer Vermehrung und Verstärkung von Streitigkeiten unter Erben.[26] Es ging Friedrich Wilhelm Bosch bereits 1969 im Vorfeld der Beratungen zu § 2057a BGB davon aus, dass die Bestimmung "injudiziabel" sein werde.[27]

[20] Staudinger/Werner, § 2057 a Rn. 1; Erhart Körting, Das Erbrecht des nichtehelichen Kindes, NJW 1970, S. 1527; Jürgen Damrau, Erbersatzanspruch und Erbausgleich. Zur Neuregelung des Erbrechts im "Nichtehelichengesetz", FamRZ 1969, S. 580; Paetel, S. 13.
[21] Staudinger/Werner, § 2057 a Rn. 14, 17.
[22] Staudinger/Werner, § 2057 a Rn. 17.
[23] MüKo/Heldrich, § 2057 a Rn. 23; Bamberger-Roth/Lohmann, § 2057 a Rn. 9.
[24] MüKo/Heldrich, § 2057 a Rn. 34.
[25] Staudinger/Werner, § 2057 a Rn. 27.
[26] Damrau, S. 580; Staudinger/Werner, § 2057 a Rn. 27.
[27] Friedrich Wilhelm Bosch, Einführung in das neue "Nichtehelichenrecht", FamRZ 1969, S. 506.

II. § 2057 a Absatz 1 Satz 2 BGB nF

1. Der ursprüngliche Gesetzentwurf der Bundesregierung

Es plante die Bundesregierung ursprünglich im Rahmen des Gesetzentwurfs zur "Änderung des Erb- und Verjährungsrechts" eine komplette Aufhebung von § 2057a Absatz 1 Satz 2 BGB und die Schaffung eines § 2057b BGB, um die Ausgleichung von Pflegeleistungen eigenständig zu regeln. Demnach sollte jeder gesetzlicher Erbe, der den Erblasser während längerer Zeit gepflegt hat, bei der Auseinandersetzung die Ausgleichung dieser Leistungen verlangen können. Die Höhe des Ausgleichungsbetrags sollte sich in der Regel nach den zur Zeit des Erbfalls in § 36 Abs. 3 SGB XI vorgesehenen Beträgen bemessen. Der Rechtsausschuss des Bundestages brachte in letzter Sekunde Bedenken gegen die von der Bundesregierung geplanten umfassenden Reformen zur Berücksichtigung von Pflegeleistungen über einen zu schaffenden § 2057b BGB vor.[28] Eine eigenständige Regelung zur Berücksichtigung von Pflegeleistungen über einen neu einzuführenden § 2057b BGB blieb daher aus.[29]

[28] Deutscher Bundestag, Drucksache 16/13542, siehe: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/135/1613543.pdf (abgerufen am 10. Juli 2009); Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Erb- und Verjährungsrechts, Deutscher Bundestag, Drucksache 16/8954, S. 4, siehe: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/089/1608954.pdf (abgerufen am 10. Juli 2009). Es bestand bei der Bezugnahme auf § 36 SGB XI zunächst einmal ein vermeintlich klarer Berechnungsmaßstab. Es waren in Anlehnung an § 36 SGB XI derzeit Pflegesätze bis zu einem Gesamtwert von 420 Euro für Pflegestufe I, 980 Euro für Pflegestufe II und 1470 Euro für Pflegestufe III geplant. Dies bedeutet allerdings eine unterschiedliche Bewertung von Pflegeleistungen derselben Person im SGB XI und dem Erbrecht, da gemäß § 2057b BGB Entwurf eine Anknüpfung an die höheren Beträge für die Pflege durch Fremde gemäß § 36 SGB XI und nicht die niedrigeren Sätze gemäß § 37 SGB XI erfolgte. Durch ei...

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