Fast zwei Jahre nach dem ersten Gespräch mit meinem Mandanten an jenem denkwürdigen Montag war die Vorarbeit getan. Wir waren jetzt in der Lage, die erste Erbenversammlung durchzuführen. Die erste Versammlung wurde im Anwesen des Erblassers durchgeführt, sodass die Miterben Gelegenheit hatten, "ihr Erbe" zu besichtigen. Einer der Miterben hatte sich dankenswerterweise über all die Jahre hinweg um das Anwesen gekümmert, sodass es einen vorzeigbaren Eindruck machte.

Zur Vorbereitung einer jeden Erbenversammlung erstellte ich eine Tagesordnung, die zusammen mit der Einladung an die Miterben verschickt wurde, die keine Vollmacht erteilt hatten. Geplante Beschlussfassungen wurden deutlich ausgewiesen, ein Formular zur Erteilung einer Vollmacht im Verhinderungsfall legten wir ebenfalls bei. Nach jeder Versammlung erstellte ich ein ausführliches Protokoll, das insbesondere die gefassten Beschlüsse wörtlich wiedergab. Auf diese Weise führten wir innerhalb von zwei Jahren sechs Erbenversammlungen durch.

Obwohl mein Mandant aufgrund der Vielzahl der ihm erteilten Vollmachten bei Mehrheitsbeschlüssen betreffend die ordnungsgemäße Verwaltung des Nachlasses quasi hätte alleine entscheiden können, hielt er sich in den Versammlungen stets zurück und stimmte mit der Mehrheit der Anwesenden. Nicht jeder erkannte das nicht zuletzt finanzielle Engagement meines Mandanten für eine erfolgreiche Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft an, was selbstverständlich allen Miterben zugutekam. Einige waren eher der Meinung, mein Mandant würde sich an den Erbteilen seiner Vollmachtgeber bereichern. Sie können sich vorstellen, dass die Diskussionen mitunter emotional aufgeladen waren. Mein Mandant versuchte also, jede Provokation zu vermeiden. Ich leitete die Erbenversammlungen und schaffte es, mir das Vertrauen und den Respekt der Miterben zu erwerben. Es war dann mein Part, die Miterben von dem zu überzeugen, was ich in Vorbereitung auf die Versammlungen mit meinem Mandanten abgesprochen hatte.

Massiv erschwert wurde die Durchführung der Versammlungen ab dem Frühjahr 2020 durch die Corona-Pandemie. Es war nicht mehr möglich, Versammlungen in dem Anwesen des Erblassers durchzuführen aufgrund geltender Abstandsregelungen.

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