Mir war klar, dass es keinen Sinn macht – wie dies die Kollegen vor mir versucht hatten –, alle 80 Miterben anzuschreiben und um Erteilung einer Vollmacht zu bitten. Abgesehen von einem möglichen Interessenkonflikt, in den ich mich als Rechtsanwältin begeben würde, ist es faktisch völlig ausgeschlossen, dass 80 Leute lediglich einer Person ihr Vertrauen schenken und zudem auch noch deren Anweisungen folgen. Für mich war klar: Die Anzahl der Miterben muss drastisch reduziert werden. Aber wie?

Die Durchführung einer Abschichtung kam nicht infrage, weil auch hierzu die Zustimmung aller Miterben erforderlich gewesen wäre. Stattdessen habe ich im Namen meines Mandanten allen Miterben angeboten, deren Erbteil zu übernehmen und sich hierfür bevollmächtigen zu lassen. Die Vollmacht enthielt auch bis zum Abschluss des Erbteilkaufvertrags die Befugnis, sämtliche Rechte in der Erbengemeinschaft für den Vollmachtgeber wahrnehmen zu dürfen.

Nur: Wie bringt man 80 Leute dazu, eine Vollmacht zu unterzeichnen? Hinzu kommt, dass die Unterschrift notariell beglaubigt sein musste, da im Nachlass nicht unerheblich Grundvermögen vorhanden war. Das Anschreiben habe also nicht ich verfasst, sondern eine Rhetorikerin. Es hatte wenig juristischen Inhalt, sondern zielte vielmehr auf das Bedürfnis ab, so schnell und so einfach wie möglich den Wert des eigenen Erbanteils ausbezahlt zu erhalten. Hierzu unterbreitete ich für meinen Mandanten ein konkretes Kaufangebot. Die Höhe des Geldvermögens war bekannt, das Hausgrundstück ließen wir bewerten, die landwirtschaftlich genutzten Flächen und den Wald schätzten wir anhand von Bodenrichtwerten. Diese Aufstellung der Nachlasswerte versandten wir mit dem Anschreiben an alle Miterben. Die meisten hatten keine Vorstellung darüber, was und wieviel sie geerbt hatten. Wir warben sozusagen um die Vollmacht mit folgendem Argument: Wir kümmern uns um alles, Sie erhalten nach getaner Arbeit einfach die Summe auf Ihrem Konto gutgeschrieben – ein Rundum-Sorglos-Paket!

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