I.

Die Parteien streiten um Pflichtteilsansprüche der Klägerin – in Höhe von unstreitig 1/6 – nach ihrem Vater, dem Erblasser, gegen den beklagten Alleinerben.

Der Erblasser und seine Ehefrau hatten drei Kinder, C … , J … und die Klägerin.

Im Jahr 2000 schlossen die Eheleute mit den drei Kindern einen notariellen Vertrag ("Übergabevertrag mit Auflassung und Pflichtteilsverzicht"): Die Ehefrau übertrug der Klägerin im Rahmen vorweggenommener Erbfolge ein Hausgrundstück in L. Die Klägerin verpflichtete sich zur Zahlung eines lebenslangen Baraltenteils von monatlich 600 DM an ihre Eltern als Gesamtberechtigte. Die Übertragung erfolgte nach dem Vertrag "unentgeltlich, jedoch in Anrechnung auf Pflichtteilsansprüche" der Klägerin im Hinblick auf den Nachlass der Eltern. Eine Ausgleichungspflicht nach § 2050 BGB wurde ausgeschlossen. Die beiden anderen Geschwister verzichteten auf Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche hinsichtlich des Grundstücks. Zur Sicherung der Zahlungsverpflichtung sollte eine Reallast eingetragen werden. Bei der Eintragung sollte ein Rangvorbehalt für eine Grundschuld bis 200.000 DM eingetragen werden. Der Grundstückswert wurde mit 90.000 DM beziffert, der Jahreswert der Reallast mit 7.200 DM (vgl. not. Vertrag, Anlage B 1).

Die Eheleute hatten darüber hinaus 1979 ein gemeinschaftliches Testament verfasst, in dem sie sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzten.

Die Ehefrau verstarb Anfang 2006. Die Klägerin stellte die monatliche Zahlung der 600 DM ein.

Der Erblasser nahm die hiesige Klägerin Ende 2007 vor dem Landgericht wegen Zahlung des rückständigen und laufenden Altenteils in Anspruch. Vor dem Oberlandesgericht einigten sich Vater und Tochter auf eine Einmalzahlung der Tochter in Höhe von 40.000 EUR.

Der Erblasser setzte den Beklagten, seinen Enkel Ch … , zum Erben ein (Testament Anlagenband). Seine beiden Söhne sollten jeweils eine Lebensversicherung erhalten. Die Klägerin sei "komplett Abgefunden = Haus in L. und eine Töchterversicherung (…)".

Zum Nachlass des Erblassers gehörten drei Grundstücke sowie weitere Gegenstände.

Für zwei der Grundstücke ließ der Beklagte Wertgutachten erstellen und übersandte diese der Klägerin mit anwaltlichem Schriftsatz vom 11.10.2016 (Beiakten). Die Grundstücke wurden später in einem Parallelrechtstreit durch den Gutachterausschuss für Grundstückswerte bewertet.

Der Beklagte forderte die Klägerin außergerichtlich auf, ihm die wertbildenden Faktoren des Grundstücks in L … zum Zeitpunkt der Übernahme zu benennen oder der Einholung eines Sachverständigengutachtens für das Grundstück zuzustimmen, um den Abzugsposten von ihrem Pflichtteilsanspruch errechnen zu können. Die Klägerin erteilte beiden Ersuchen eine Absage. Sie stellte sich auf den Standpunkt, es sei insoweit nichts anzurechnen.

Die Klägerin hat einen Pflichtteilsanspruch von 1/6 geltend gemacht. Die Immobilie in L. sei nicht in Anrechnung zu bringen, zumal ihr die Immobilie von ihrer Mutter, nicht vom Erblasser übertragen worden sei. Im Übrigen habe sie schon mehr Altenteilsrente und Abfindung gezahlt, als das Grundstück wert gewesen sei, zusammen über 59.000 EUR.

Die Klägerin hat zunächst im Wege der Stufenklage beantragt, den Beklagten zur Wertermittlung der beiden Grundstücke zu verurteilen, für die er Gutachten vorgelegt hatte, sowie in zweiter Stufe zur Zahlung eines sich aus der Wertermittlung noch zu errechnenden Pflichtteils von 1/6 nebst Zinsen (Klageschrift vom 28.5.2018).

Der Beklagte hat wegen des Wertermittlungsanspruchs Zurückweisung beantragt, sowie wegen des Pflichtteilsanspruchs Zurückweisung als "zur Zeit nicht fällig".

Die Wertermittlungsansprüche seien durch Vorlage der Gutachten erfüllt. Wegen des Zahlungsanspruchs stehe ihm ein Zurückbehaltungsrecht zu, solange die Klägerin nicht Auskunft über den Wert der von ihr übernommenen Immobilie in L. zum Zeitpunkt der Übernahme erteilt habe.

Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 8.3.2019 die Wertermittlungsstufe für erledigt erklärt. Der Beklagte hat sich der Erledigung nicht angeschlossen.

Die Klägerin hat sodann beziffert und mit Schriftsatz vom 8.5.2019 einen Zahlungsanspruch in Höhe von 127.324,58 EUR geltend gemacht.

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und (Stufen-)Widerklage erhoben und beantragt, die Klägerin zur Auskunft über die wertbildenden Faktoren der von ihr übernommenen Immobilie im Zeitpunkt des Eigentumsübergangs zu verurteilen.

Die Klägerin hat die Zurückweisung der Widerklage beantragt.

Der Beklagte hat die Ansicht vertreten, die Klägerin müsse sich den Wert der Immobilie in L. auf ihre Pflichtteilsansprüche anrechnen lassen. Der in der notariellen Urkunde angegebene Wert von 90.000 DM entspreche nicht dem damaligen Grundstückswert und sei nur für die Kosten angegeben worden.

Von dem – wirklichen damaligen – Wert der Immobilie sei die Altenteilsverpflichtung kapitalisiert in Abzug zu bringen. Der verbleibende Betrag sei als Schenkung im Rahmen der Pflichtteilsberechnung zu berücksichtigen.

Das Landgericht hat den Bekla...

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