Abseits der Vermittlungsplattformen hat sich gerade im Erbrecht eine Marktlücke für unmittelbar online abrufbare Informationen aufgetan. Schließlich gehört das Erstellen von Vorsorgevollmachten, Testamentsvorlagen sowie überblicksartigen Informationen zum Pflichtteilsrecht genauso zum Berufsalltag wie die individuell auf die familiären Besonderheiten abgestimmte Beratung im persönlichen Gespräch. Diese Lücke wurde mittlerweile größtenteils geschlossen. Speziell auf erbrechtliche Angelegenheiten zugeschnittene Legal-Tech-Produkte wagen den Schritt, rechtssichere Dokumente und Auskünfte "von der Stange" anzubieten. Hierzu ein kurzer Überblick:

a) MeinPflichtteil.de

Das Online-Angebot der Bonner Kanzlei Meyer Koering erlaubt dem Enterbten schnellen Zugriff auf rechtssichere Informationen zu seinen Ansprüchen im Pflichtteilsrecht. Sitzt der Schock enterbt zu sein tief, wächst das Verlangen nach Beratung rasch. In der Sorge, die Kosten seien zu hoch, wird die Schwelle sich professionell beraten zu lassen dabei oft nicht überschritten.

Auf MeinPflichtteil.de erhält der Nutzer Unterstützung. Das Angebot basiert auf einer Funktionsweise in drei Schritten: Im ersten Schritt erfolgt ein sogenannter Quick-Check. Anhand eines sich Frage für Frage aktualisierenden Online-Formulars wird die Struktur des Falls analysiert. Per Mausklick kann der Nutzer die relevanten Daten in das System einspeisen. Das Ergebnis ist eine Auskunft darüber, ob und in welcher Höhe ein Pflichtteilsanspruch nach den Regelungen des BGB besteht. Ein zweiter Schritt erlaubt dem Nutzer, ein kostenloses Aufforderungsschreiben an die Erben(Gemeinschaft) zu richten, um die Auskunfts- und Wertermittlungsansprüche gem. §§ 2314 Abs. 1, S. 1 und 2 BGB geltend zu machen. Dazu wird lediglich eine E-Mail-Adresse benötigt. Das online ausgefertigte Dokument muss in der Folge unterzeichnet und auf den Postweg gebracht werden. Reagiert die Erbengemeinschaft oder der Erbe nicht auf die Aufforderung, so kann in einem dritten Schritt ein Mandat erteilt werden. Das Angebot wirbt dabei mit allenfalls geringen Kosten, die für das Mandat entstehen. Denn durch das Aufforderungsschreiben wird die Erbengemeinschaft/der Erbe in Verzug gesetzt und ist bei Nichtleistung zur Übernahme der Anwaltsgebühren verpflichtet.

Ob sich das Tool finanziell lohnt, kann hier nicht bewertet werden. Denn im zweiten und dritten Schritt verlangt dieses Verfahren das manuelle Eingreifen der zuständigen Anwälte. Vergütet wird die Arbeit allerdings erst, sobald die Erbengemeinschaft/der Erbe durch das Aufforderungsschreiben in Verzug gerät und der Nutzer online einen Mandatsvertrag abschließt. Allerdings gilt es auch den Netzwerkeffekt zu beachten, der durch das Angebot generiert wird. Fühlt sich ein Nutzer durch das Angebot gut beraten, wird er im Prinzip automatisch zur Mandatierung der Kanzlei geschleust. Durch diesen "Lock-in-Effekt" wird bereits bei der Berechnung des Pflichtteils der Grundstein für ein neues Mandat gelegt. Die Behauptung, es handele sich daher um bloßes Marketing, liegt damit nicht ganz fern, wird dem Angebot aber nicht gerecht. Denn der Nutzen ist insbesondere für die Betroffenen groß, er wird clever bei seinem Problem abgeholt. Es ist zu erwarten, dass sich das Angebot von MeinPflichtteil.de dauerhaft auf dem Markt etablieren wird.

b) Rechtsdokumente-Generatoren

Eine Vielzahl von erbrechtlichen Mandaten dreht sich um die Gültigkeit bzw. wirksame Errichtung von Testamenten. Je nach Wunsch und Vorstellung des Mandanten ist dabei eine äußerst diffizile und intensive Auseinandersetzung mit den familiären Eigenheiten notwendig. Indes besteht selbstverständlich die Möglichkeit auch umfangreichste Testamente selbst zu erstellen. Hinsichtlich der Gefahr, dass Fehler unterlaufen und unerwünschte Folgen eintreten, empfiehlt sich nach wie vor der Gang zum Anwalt oder Notar. Es existieren mittlerweile zahlreiche Webseiten, die die Möglichkeit bieten, online und teilweise kostenlos etwa ein rechtswirksames Testament zu erstellen.[19] Als Beispiel soll hier das Angebot von smartlaw.de untersucht werden, welches Gegenstand der gerichtlichen Auseinandersetzung zwischen dem Anbieter Wolters Kluwer und der Hanseatischen Rechtsanwaltskammer, ist.[20]

Auf smartlaw.de findet der Nutzer zu nahezu jedem im Rechtsverkehr gängigem Dokument eine Vorlage zu Download. Dazu zählen unter anderem schon seit geraumer Zeit gängige Vorlagen zu Mietverträgen oder Kündigungsschreiben. Es finden sich aber auch Dokumentevorlagen zu äußerst speziellen Anliegen, wie in etwa Reitbeteiligungsverträge. Das erbrechtliche Portfolio ist dabei durchaus beachtlich: Neben Vorlagen für unterschiedliche Testamentsmöglichkeiten finden sich auch solche für die Ausschlagung oder Anfechtung einer Erbschaft sowie ein Pflichtteilsrechner mit ähnlicher Funktionsweise wie meinPflichtteil.de. Das Dokument wird online erstellt und ist individuell auf die Anliegen des Nutzers zugeschnitten, indem man sich durch Formularbögen klickt und gegebenenfalls Daten eintippt. Brauchbar sind die Dokume...

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