Leitsatz

Ein vom überlebenden Ehegatten zu einem gemeinschaftlichen Testament errichteter Widerruf ist nicht gemäß §§ 348 FamFG, 349 FamFG mit dem gemeinschaftlichen Testament nach dem ersten Todesfall zu eröffnen. Eine Eröffnungspflicht ergibt sich auch nicht aus einer analogen Anwendung von §§ 348, 349 FamFG oder aufgrund eines Rechtsscheins.

OLG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 22.6.2020 – 3 Wx 19/20

1 Gründe

I.

Der Beschwerdeführer ist der Sohn der Eheleute A und B. Die Eheleute haben zweinotarielle gemeinschaftliche Testamente errichtet, eins im Januar 2011 vor dem Notar […] und ein Weiteres im Juli 2016 vor dem Notar […]

Im November 2019 errichtete der Ehemann B vor dem Notar […] einen Widerruf, in dem er gegenüber der Erblasserin seine sämtlichen in den beiden genannten Testamenten enthaltenen Verfügungen widerrief.

Nach dem Tod der Erblasserin eröffnete das Nachlassgericht die beiden oben genannten gemeinschaftlichen Testamente, nicht jedoch den Widerruf vom November 2019.

Einen entsprechenden Antrag des Beschwerdeführers hat das Nachlassgericht mit Beschluss vom 3.2.2020 abgelehnt und hat dies damit begründet, dass Gegenstand der Eröffnung nur letztwillige Verfügungen der Erblasserin sein könnten, es sich bei dem Widerruf jedoch nicht um eine solche letztwillige Verfügung der Erblasserin handeln würde. Die Wirksamkeit und die Wirkungen des Widerrufs seien im Erbscheinsverfahren zu prüfen. Die Wirksamkeit und die Wirkungen des Widerrufs seien im Erbscheinsverfahren zu prüfen. Im Rahmen der Bekanntmachung der eröffneten Verfügungen sei zudem auf die Widerrufserklärung hingewiesen worden.

Gegen diesen Beschluss, wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner beim Nachlassgericht eingegangenen Beschwerde. Gemäß § 348 FamFG sei das Nachlassgericht verpflichtet, die in Verwahrung befindlichen Verfügungen von Todes wegen zu eröffnen. Das Nachlassgericht habe zwar in einem Anschreiben erklärt, dass eine Widerrufserklärung vorliege. Damit werde das Nachlassgericht den Interessen der Beteiligten jedoch nicht gerecht. Eine lückenlose Prüfung der Sach- und Rechtslage sei’auf Grundlage der Eröffnungsniederschrift nebst Anlagen nicht möglich Ohne Eröffnung des Widerrufs schaffe das Nachlassgericht einen falschen Rechtsschein. Der Ehemann der Erblasserin könne sich durch Vorlage der gemeinschaftlichen Testamente und der Eröffnungsprotokolls als Alleinerbe ausweisen. Sowohl bei Banken als auch für das Grundbuchamt – § 35 GBO – reiche beides als Nachweis für’die Erbfolge aus. Daran ändere der Erbscheinsantrag nichts. Die Beweiskraft des Eröffnungsprotokolls nebst Anlagen werde dadurch nicht erschüttert. Das Grundbuchamt dürfe den falschen Nachweis der Erbfolge vertrauen. Die Pflicht zur Eröffnung der Widerrufserklärung ergebe sich aus § 349 Abs. 1 S. 1 FamFG. Diese Norm ordne bei gemeinschaftlichen Testamenten an, dass die Verfügungen des überlebenden Ehegatten nicht bekannt zu geben seien, soweit sie sich trennen ließen. Bei Untrennbarkeit seien die Verfügungen des überlebenden Ehegatten demgegenüber bekannt zu geben. Dabei seien das Geheimhaltungsinteresse des Überlebenden und das Unterrichtungsbedürfnis sonstiger Beteiligter abzuwägen. Eine solche Abwägung lasse die Entscheidung nicht erkennen.

Maßgeblich für die Abgrenzung (Trennbarkeit/Untrennbarkeit) sei bei inhaltlicher Verknüpfung, ob ein Beteiligter nur durch die Eröffnung beider Verfügungen für seine Rechtsposition zuverlässig Kenntnis von der Tragweite der Verfügungen des Erstverstorbenen habe. § 2270 BGB ordne an, dass beim Widerruf einer wechselbezüglichen Verfügung des einen Ehegatten auch die Verfügung des anderen Ehegatten unwirksam werde. Insoweit ergebe sich die Untrennbarkeit daraus, dass dadurch aufeinander bezugnehmende Verfügungen unwirksam würden. Dabei handele es sich um die denklogische Kehrseite der gemeinsamen Errichtung mit Bezugnahmen. Das Widerrufstestament bilde auch als Einzeltestament eine untrennbare Einheit mit dem widerrufenen Testament. Erst aus dem gemeinschaftlichen Testamenten und dem Widerruf ergebe sich ein vollständiges Bild der Rechtsverhältnisse. Es bestehe daher sogar ein gesteigertes Interesse an der Eröffnung des Widerrufs. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung der Beschwerde wird auf die Schreiben des Beschwerdeführers Bezug genommen. Der Beschwerdeführer beantragt zudem wegen der grundsätzlichen Bedeutung, die Rechtsbeschwerden nach § 70 Abs. 1 FamFG zuzulassen.

Das Nachlassgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Beschwerden dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt. Zur Begründung hat das Nachlassgericht ausgeführt: Die Eröffnungsvorschrift beziehe sich nicht auf einseitige Widerrufe des überlebenden Ehegatten, auch wenn diese Auswirkungen auf die Wirksamkeit der eröffneten Verfügungen von Todes wegen hätten. Auch Erbausschlagungserklärungen, Eheverträge oder Erbverzichtsverträge würden nicht eröffnet werden, obwohl sie Einfluss auf die letztwilligen Verfügungen haben könnten.

Der Widerruf sei erst nach dem Tod des über...

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