Zu den genannten Unklarheiten kommt noch der Ausnahmetatbestand des Art. 21 Abs. 2 der EuErbVO: Ausnahmsweise ist das Recht des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts dann nicht anzuwenden, wenn zu einem anderen Staat eine offensichtlich engere Bindung besteht. Dann ist das Recht dieses Staates anzuwenden. Nach der in den Erwägungsgründen vorgeschlagenen Definition des gewöhnlichen Aufenthalts dürfte für diese Ausnahme überhaupt kein Raum mehr sein. In Erwägungsgrund 25 der EuErbVO wird als Beispiel genannt, dass der Erblasser "erst kurz vor seinem Tod in den Staat seines gewöhnlichen Aufenthalts umgezogen ist"; hier ist aber nach der Definition in Erwägungsgrund 23 noch gar kein gewöhnlicher Aufenthalt begründet worden. Unabhängig davon ist auch hier ein Einfallstor geschaffen worden, um doch zur Anwendung eines anderen Rechts zu kommen.

Die Entwicklung der Rechtsanwendung wird spannend zu beobachten sein. Letztlich wurde zwar einerseits eine Vereinfachung grenzüberschreitender Erbfälle erreicht, da beispielsweise Erbverfahren in beiden Ländern künftig überflüssig sind und nur eines zu führen ist, andererseits aber neue Schwierigkeiten bei der Definition des gewöhnlichen Aufenthalts geschaffen. Eine wirkliche Bereicherung wäre die Erbrechtsverordnung letztlich nur dann, wenn auch das materielle Erbrecht einheitlich geregelt worden wäre. Jedenfalls nach den Erwägungsgründen der EuErbVO erscheint es weiterhin möglich, dass auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen kroatischer Staatsangehöriger, die in Deutschland leben, kroatisches Recht anzuwenden ist. In vielen Fällen leben diese zwar in Deutschland, um zu arbeiten, haben aber eine sehr enge Beziehung zum Heimatland, haben dort Grundeigentum und sprechen weit besser Kroatisch als Deutsch. Dann wäre nicht einmal eine Rechtswahl zugunsten des deutschen Rechts möglich, denn diese kann nach Art. 22 EuErbVO nur zugunsten des Rechts des Staates erfolgen, dessen Staatsangehörigkeit der Erblasser hat.

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