I.

Die Beteiligte zu 2 wendet sich gegen die Zurückweisung ihres Erbscheinsantrags und gegen die Erteilung des von dem Beteiligten zu 1 beantragten Alleinerbscheins. Die Beteiligten streiten um die wirksame Errichtung eines den Beteiligten zu 1 begünstigenden Testaments sowie dessen Widerruf durch Zerreißen.

Der am … verstorbene Erblasser war mit der am … vorverstorbenen Frau … verheiratet. Kinder der Eheleute sind der … vorverstorbene X … , dessen Sohn der Beteiligte zu 1 ist, sowie die Beteiligte zu 2, welcher der Erblasser in den Jahren 2011, 2017 und 2018 mehrere Vollmachten (…) erteilt hatte.

Mit gemeinschaftlichem privatschriftlichem Testament vom 18.5.2007 setzten sich die Eheleute gegenseitig zu Alleinerben sowie als Erben des Letztversterbenden die Beteiligte zu 2 und ihren Bruder ein und benannten den Sohn der Beteiligten zu 2, … , als Ersatzerben. Ferner bestimmten sie, dass der Überlebende von ihnen frei über den Nachlass verfügen und auch eine neue letztwillige Verfügung errichten könne. Zudem trafen sie Anordnung, welcher der Erben bestimmte Nachlassgegenstände erhalten solle. In einem Zusatz zum Testament vom 6.8.2008 trafen die Eheleute ergänzende Bestimmungen in Bezug auf einen Grundschuldbrief und die Immobilie … Wegen der Einzelheiten wird auf die Originaldokumente Bezug genommen (AG Karlsruhe, Verwahrakte Az. 2 IV 1488/20, AS 25 ff.). Das Hausgrundstück … wurde im Jahr 2012 verkauft.

Der Beteiligte zu 1 und seine Schwester beantragten die Erteilung eines sie als Erben ausweisenden Erbscheins (AS I, 1). Der Antrag wurde nachfolgend dahingehend geändert, dass der Beteiligte zu 1 den Erblasser allein beerbt habe (AS I, 199). Der Beteiligte zu 1 stützte sein Erbrecht auf ein Testament, das der Erblasser zu seinen Gunsten mithilfe von Rechtsanwalt … , errichtet habe (AS I, 49 f.).

Die Beteiligte zu 2 trat dem Antrag entgegen und beantragt auf der Grundlage des gemeinschaftlichen Testaments vom 18.5.2007 die Erteilung eines sie als Alleinerbin ausweisenden Erbscheins (AS I, 123).

Das Nachlassgericht holte zunächst eine schriftliche Zeugenaussage des Rechtsanwalts … vom 1.4.2020 ein. Der Zeuge übersandte in diesem Zusammenhang aus seiner Handakte die Kopie eines von dem Erblasser handschriftlich geschriebenen und unterschriebenen Schriftstücks vom 16.9.2015 sowie seinen Schriftsatz an den Erblasser vom 2.10.2015. Das kopierte Schriftstück vom 16.9.2015 lautet auszugsweise:

Zitat

Mein letzter Wille

Ich, … , geb. (…),

im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte, will ich, das meine nachfolgend aufgeführte Hinterlassenschaft vererbt wird.

Als Vollerbe setze ich meinen Enkel

… geb. (…)

ein.“

(Nummeriert mit Nr. 1 bis Nr. 9 folgt eine Auflistung von Vermögensgegenständen.)

Zitat

10. Unser Sohn, … , ist am … gestorben.

11. Meine Tochter, … , geb. (…) erbt einen Pflichtteil und die Bilder aus ihrer Geburtsheimat.

Sie und Ihre Kinder haben sich von mir getrennt, nachdem ich keine finanzielle Stütze, für die Bezahlung des Hauses, mehr bezahlt habe. Ergo konnte ihr Haus auch nicht mehr finanziert werden und wurde verkauft.

12. Die Ereignisse der vergangenen Jahre haben den Inhalt des Testamentes vom 28.5.2007 und den Zusatz zum Testament vom 6.8.2008 völlig verändert oder erledigt.“

(Unter Nr. 13 und 14 folgen Anordnung für die Bestattung und Grabpflege.)

Zitat

15. Als Vollerbe habe ich den Stand der Dinge, wie geschrieben, hiermit verfügt.

… , den 16.9.2015“

Der Schriftsatz vom 2.10.2015 enthält einen von dem Zeugen … für den Erblasser gefertigten Entwurf eines Testaments mit der Bitte um Rücksprache, sollten Fragen hierzu bestehen. Andernfalls könne das Testament handschriftlich verfasst werden. Wegen der Einzelheiten wird auf die schriftliche Aussage des Zeugen … (AS I, 181 ff.) sowie die als Testament eröffnete Kopie und den Schriftsatz vom 2.10.2015 Bezug genommen (AS I, 167 ff.; AG Karlsruhe, Verwahrakte Az. 2 IV 1488/20, AS 49 ff.).

Die Beteiligte zu 2 war der Auffassung, die Zeugenaussage belege lediglich die anwaltliche Beratung, nicht jedoch die Errichtung eines weiteren Testaments. Zudem habe sich bis zum Versterben des Erblassers die Situation geändert und die Familie ihres Bruders, die sich im Gegensatz zu ihr und ihrem Sohn nicht aktiv um den Erblasser gekümmert habe, habe nicht mit einem Erbe bedacht werden sollen. Nach einem Herzinfarkt im Februar 2018 habe ihr der Erblasser im Krankenhaus mitgeteilt, dass er sie zwischenzeitlich enterbt habe. Sie habe das sie enterbende Testament aus seinem Safe holen und vernichten sollen, habe den Erblasser jedoch gebeten, dies selbst zu tun. Die Vernichtung sei vom Erblasser vorgenommen worden; nach seinem Tod sei im Safe kein Testament aufzufinden gewesen. Zum Beweis benannte die Beteiligte zu 2 ihren Sohn … (AS I, 239 f.).

Der Beteiligte zu 1 entgegnete, der Erblasser sei mit der Beteiligten zu 2 stark zerstritten gewesen und habe das ihn begünstigende Testament zu keinem Zeitpunkt vernichten wollen.

Das Nachlassgericht hörte die Beteiligten an und erhob Beweis durch mündliche Vern...

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