Anmerkung zu KG Berlin, Urteil vom 31 Mai 2017 – 21 U 9/16

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Das Kammergericht[1] hat entgegen der Vorinstanz[2] den Anspruch einer Mutter auf Zugang zum Facebook-Account ihrer verstorbenen Tochter verneint. Das Urteil lässt offen, ob höchstpersönliche digitale Inhalte vererblich sind oder nicht, da die Durchsetzbarkeit eines solchen Anspruchs auf Zugang zu persönlichen Daten der Tochter auf deren Facebook-Account jedenfalls an § 275 BGB scheitere. Denn durch eine entsprechende Zugangsgewährung würden jedenfalls die durch das Telekommunikationsgeheimnis des § 88 TKG geschützten Rechte der Kommunikationspartner der Erblasser erheblich verletzt. Damit dürfe eine Weitergabe wegen des "kleinen Zitiergebots" des § 88 Abs. 3 TKG ohne ausdrückliche dahingehende gesetzgeberische Entscheidung nicht erfolgen. Das Kammergericht geht davon aus, es komme bei der Entscheidung über einen Anspruch auf Zugang der Erben zum Facebook-Account eines Verstorbenen nicht darauf an, ob dieser vererblich ist oder nicht. Diese Annahme geht fehl: Die Frage nach der Vererblichkeit auch höchstpersönlicher digitaler Inhalte ist entscheidend für die Frage nach einem Verstoß gegen § 88 TKG.

[2] LG Berlin, Urt. v. 17.12.2015 – 20 O 172/15, ZErb 2016, 109.

I. Vererblichkeit als entscheidende Vorfrage

Richtiger Ansicht nach unterliegen auch alle diejenigen Rechtspositionen mit höchstpersönlichem Inhalt der Erbfolge, die nicht mit dem Erbfall untergehen.[3] Dann aber stellt die Überlassung der Daten und des Zugangs an die Erben keinen Verstoß gegen § 88 TKG dar, weil es sich dabei um die Erfüllung der Hauptpflicht handelt und die Erben nicht Dritte iSd § 88 Abs. 3 TKG, sondern Vertragspartner sind.[4] Im Einzelnen:

[3] Siehe hierzu DAV-Stellungnahme/Herzog, Nr. 34/2013, Seite 51 mwN.
[4] Pruns, nwb 2014, 2175, Herzog, in: Kroiß u. a., Nachfolgerecht, 9. Digitaler Nachlass, Rn 65 ff.

1. Grundsätzlich "erbrechtliche Lösung"

Zunächst erkennt auch das KG[5] mit der ganz überwiegenden Ansicht an, dass

der Vertrag zwischen Erblasser und Provider grds. nach § 1922 BGB auf die Erben übergeht,
sich auch aus dem Wesen des Vertrages analog § 399 BGB keine Unvererblichkeit ergibt, und dass
zwischen Erblasser und Provider kein besonderes Vertrauensverhältnis ähnlich dem zu einem Arzt besteht.

2. Noch einmal: Zur Vererblichkeit höchstpersönlicher Positionen

Das Kammergericht hat aber erneut die (alte) Frage[6] aufgeworfen, ob sich § 1922 BGB auch auf Vererblichkeit von Rechtspositionen mit höchstpersönlichen Inhalten bezieht.

Es hält zwar die in DAV-Stellungnahme Nr. 34/2013 (Seite 52 ff) begründete Auffassung für "zunächst überzeugend". Hier hatte ich i.R.d. Stellungnahme vertreten, dass bei der Universalsukzession nicht zwischen vermögenswerten und höchstpersönlichen Inhalten zu unterscheiden ist, sondern dass sämtliche vererbbaren Rechtspositionen iSd weiten Vermögensbegriffs, der iRv § 1922 BGB gilt, der Gesamtrechtsnachfolge zu unterwerfen sind. Das KG führt andererseits "Bedenken" gegen diese Auffassung an, die sich ohne jedes Zitat auf eine angeblich hM in der Literatur beziehen.[7]

Diese gründen darin, dass die Angehörigen – obwohl Wahrnehmungsberechtigte des postmortalen Persönlichkeitsrechts – keinen Anspruch auf Zugang zu solchen Daten hätten, sondern zur Geltendmachung entsprechender Wahrnehmungsrechte allein vom gegen das postmortale Persönlichkeitsrecht des Erblassers verstoßenden Umgang mit solchen Daten erfahren müssten. Wenn aber noch nicht einmal die nächsten Angehörigen als Wahrnehmungsberechtigte des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einen entsprechenden Anspruch auf Zugang hätten, so sei fraglich, ob man den Erben einen solchen Zugang zu Daten, die nach dem Tod des Erblassers eigentlich niemandem zuständen, zugestehen müsse bzw. dürfe.

Diese Ausführungen lassen ein Un- oder zumindest Missverständnis in Bezug auf die Rechtsprechung zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht und den postmortalen Rechten von Angehörigen und Erben hieran erkennen:

[6] Siehe hierzu Hoeren, NJW 2005, 2113.
[7] Kritisch auch Litzenburger, FD-ErbR 2017, 392155.

a) Rechtsnachfolger sind nur die Erben, nicht die nächsten Angehörigen

Die vom Kammergericht aufgeworfene Frage, warum den Erben Rechtspositionen zustehen sollten, den Angehörigen aber nicht, lässt sich leicht beantworten: Die Ursache liegt darin begründet, dass die nächsten Angehörigen allein subsidiär – sprich: mangels vom Erblasser bestimmter und damit mangels anderer in Betracht kommender Personen – bloße Abwehrrechte (!) im Fall einer Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts des Erblassers für diesen treuhänderisch wahrnehmen. Rechte des Erblassers gehen hingegen nicht auf diese über. Es gibt keine dem § 1922 BGB vergleichbare Regelung, nach der irgendwelche Rechtspositionen des Erblassers zu Rechtspositionen seiner nächsten Angehörigen werden.[8]

[8] Siehe ausführlich DAV-Stellungnahme/Herzog, Nr. 34/2013, S. 32, 49, 50; Herzog, NJW 2013, 3750 – die dortigen Klarstellungen zu den Rechten der nächsten Angehörigen als Wahrnehmungsberechtigte lässt das Gericht völlig außen vor und stellt unreflektiert...

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