Der richtige Lösungsansatz ist der Letztgenannte. Um sich das vor Augen zu führen, hilft es, wenn man den vom KG Berlin entschiedenen Sachverhalt abwandelt und das Problem dadurch in einen allgemeineren Kontext stellt.

Stellen wir uns dazu Folgendes vor: Facebook erfährt nicht vom Tod der Tochter und versetzt ihr Benutzerkonto deshalb auch nicht in den Gedenkzustand. Die Eltern greifen nun mit den ihnen bekannten Zugangsdaten auf das Benutzerkonto zu und entdecken die sehr persönliche Korrespondenz ihrer Tochter mit deren Freundin F, in der ihre Tochter von Suizidgedanken gesprochen hat. Sie kontaktieren daraufhin F und bitten diese um weitere Informationen. F weigert sich und klagt gegen die Eltern gem. den §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB analog auf Unterlassung der Nutzung des Benutzerkontos, da sie durch diese ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht verletzt sieht.

In dieser Abwandlung ist § 88 Abs. 3 TKG nicht anwendbar, da Facebook nicht tätig geworden ist und auch nicht auf Zugangsverschaffung in Anspruch genommen wird. Vielmehr stehen sich die Erben und die F als Kommunikationspartnerin der Tochter nun direkt gegenüber. Das zugrundeliegende rechtliche Problem bleibt aber in beiden Fällen gleich: Wird das Fernmeldegeheimnis der Kommunikationspartner durch den Zugang verletzt?

Die Abwandlung des Sachverhalts zeigt, dass das Problem nicht auf § 88 Abs. 3 TKG beschränkt ist. Mithin kann auch eine etwaige Lösung des Problems nicht in dieser Vorschrift gefunden werden. Wenn bspw. darauf verwiesen wird, die Erben seien nicht "anderer" im Sinne des § 88 Abs. 3 TKG und eine Zugangsverschaffung deshalb erlaubt,[12] geht das am Kern unseres Problems vorbei. Wir würden aus dieser Argumentation nämlich für unseren abgewandelten Fall keine Schlüsse ziehen können. Das wird in der bisherigen Diskussion weitestgehend übersehen.[13] Auch die Rechtsnachfolge der Erben in den Nutzungsvertrag mit Facebook hilft uns hier nicht weiter, denn in unserem abgewandelten Fall bestehen zwischen der Verstorbenen und ihrer Freundin F gerade keinen vertraglichen Beziehungen in die die Erben nachfolgen könnten.[14] Um zu einer allgemeinen Lösung jenseits des § 88 Abs. 3 TKG zu finden, müssen wir die Grundlagen des zivilrechtlichen Schutzes des Brief- und Fernmeldegeheimnisses sowie die Ausstrahlungswirkung der Grundrechte in das Privatrecht näher betrachten.

[12] So etwa Holzer, in: Praxis-Handbuch Erbrechtsberatung, Kap. XVII Rn 38. Ähnlich etwa MüKo-BGB/Leipold, § 1922 BGB Rn 17. Siehe in diesem Heft auch Biermann, S. 210, 214 ff.
[13] Siehe zu Lösungsansätzen jenseits des § 88 Abs. 3 TKG und zum hier folgenden Text aber bereits Pruns, NWB 2014, 2175, 2179 ff.
[14] Aus diesen Gründen kann ich auch die Einschätzung von Herzog (S. 205, 210 in diesem Heft) und Biermann (S. 210, 216 in diesem Heft) nicht teilen, auf die Frage der Einwilligung komme es beim digitalen Nachlass nicht an. Das Gegenteil erscheint mir richtig, denn über die Einwilligung lässt sich eine allgemeine Lösung finden, die nicht auf die Fälle des § 88 Abs. 3 TKG beschränkt ist. S. dazu auch den nachfolgenden Text.

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