1. Ausgangssachverhalt

Die minderjährige Tochter der Klägerin ist nach einem Unfall mit einer U-Bahn in Berlin verstorben. Es stand der Verdacht auf einen Suizid im Raum und in diesem Zusammenhang auch Anspruch auf Schadensersatz des Fahrers der U-Bahn (insbes. Schmerzensgeld) gegen die Eltern als Erbengemeinschaft. Die Eltern erhofften sich aus dem Inhalt des Facebook-Accounts ihrer Tochter Hinweise auf die Hintergründe deren Todes. Facebook versetzte das Profil der Verstorbenen in einen sog. "Gedenkstatus". Damit war es nur noch Freunden der Verstorbenen möglich, Nachrichten auf deren Pinnwand zu posten. Ein Zugriff auf den Account wurde den Eltern der Verstorbenen verweigert. Die Mutter der Verstorbenen begehrte mit ihrer Klage beim LG Berlin gegen Facebook zunächst erfolgreich Zugriff auf den Inhalt des Accounts ihrer Tochter. Gegen diese Entscheidung des LG Berlin legte Facebook Berufung zum KG ein. Das KG gab der Berufung statt.

2. Entscheidung des KG

Das KG hat entschieden, dass den Erben im Hinblick auf die auf dem Facebook-Account der Erblasserin gespeicherten Daten kein Zugangsverschaffungsanspruch zusteht.

Die sog. "Gedenkzustandsrichtlinie" von Facebook sei AGB-rechtlich nicht zu beanstanden. Dabei handle es sich um eine Leistungsbeschreibung im Sinne von § 307 Abs. 3 BGB, sodass diese einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB entzogen sei. Die stünde aber einer "Vererbbarkeit des Facebook-Accounts" ohnehin nicht entgegen: Die Erben können zwar das Profil des Erblassers nicht mehr fortführen, jedoch ginge damit das nach § 1922 BGB auf die Erben übergegangene Recht, auf gespeicherte Inhalte des Accounts zugreifen können, grundsätzlich nicht unter.[12]

Den Schwerpunkt der Entscheidung des KG ist das Telekommunikationsgeheimnis: Selbst wenn ein nach § 1922 BGB auf die Erben übergegangener Anspruch auf Zugang zu den Inhalten eines Facebook-Accounts dem Grunde nach bestünde, stehe dessen Durchsetzbarkeit jedenfalls das sich aus § 88 Abs. 3 TKG ergebende Fernmeldegeheimnis entgegen, da Facebook nach dieser Regelung zur Verweigerung der Zugangseröffnung verpflichtet sei.[13]

Im Übrigen folge nach der Auffassung des KG ein Anspruch der Erben auf Zugangsverschaffung auch nicht aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 Abs. 2 iVm Art.1 Abs. 1 GG: Das Interesse der Erben an der Zugangsverschaffung sei für eine Persönlichkeitsentfaltung der Erblasserin ohne Bedeutung.[14] Ferner bestünde auch kein Anspruch der Erben aus § 34 BDSG, da das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, welches Grundlage für die datenschutzrechtlichen Ansprüche des BDSG ist, mit dem Tod des Betroffenen ende.[15]

Das KG hat leider nicht abschließend entschieden, ob der Klägerin und dem Vater der Erblasserin in Erbengengemeinschaft aus erbrechtlicher Sicht grundsätzlich ein Anspruch auf Zugang zu dem Facebook-Account der Erblasserin zusteht.[16] Es hat lediglich mit dem Verweis auf § 1922 BGB durchblicken lassen, dass es im Grunde von der Möglichkeit der "Vererbung eines Facebook-Accounts" durch Eintritt in die Rechts- und Pflichtenstellung des zwischen der Erblasserin und Facebook geschlossenen Vertrages ausgeht.[17] Die besondere personengeprägte Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses stehe dem nicht entgegen: Dem Erben stünden grundsätzlich dieselben Ansprüche gegen den Vertragspartner zu, wie auch zuvor dem Erblasser.[18] Gänzlich offen gelassen hat das KG die in der Literatur kontrovers diskutierte Frage nach der Vererbbarkeit von höchstpersönlichen Inhalten des digitalen Nachlasses.[19]

[12] KG, BeckRS 2017, 111509, Rn 58.
[13] KG, BeckRS 2017, 111509, Rn 66, 68.
[14] KG, BeckRS 2017, 111509, Rn 103.
[15] KG, BeckRS 2017, 111509, Rn 104.
[16] KG, BeckRS 2017, 111509, Rn 55.
[17] KG, BeckRS 2017, 111509, Rn 56.
[18] KG, BeckRS 2017, 111509, Rn 56, 57, 59: Insbesondere stehe einer Vererbbarkeit nicht § 399 BGB analog entgegen: Durch die Änderung der Person des Vertragspartners wird die von Facebook zu erbringende Leistung (Zurverfügungstellen einer Kommunikationsplattform und Kommunikationsinhalte zu vermitteln) in ihrem Charakter nicht verändert. Die Personifizierung des Accounts diene dabei nur der "Ordnung der Verhältnisse", nicht aber einem besonderen Interesse von Facebook.
[19] KG, BeckRS 2017, 111509, Rn 61 ff.

3. Kritische Würdigung

Die Entscheidung des KG steht im Widerspruch zu den allgemeinen und auch hier anwendbaren Grundsätzen des Erbrechts und ist mithin im Ergebnis nicht überzeugend. Es lässt zunächst eine der grundsätzlichen Fragen zum digitalen Nachlass – nämlich die Vererbbarkeit von Daten, welche sich auf einem Server eines Providers befinden, sowie die sich daran anschließende Frage nach der Vererbbarkeit höchstpersönlicher Inhalte des digitalen Nachlasses – bedauerlicher Weise – weitgehend unbeantwortet (hierzu unter a)). Schließlich vermag die Auffassung des KG dahingehend, dass einer Zugangseröffnung zugunsten der Erben das sich aus § 88 Abs. 3 TKG ergebende Telekommunikationsgeheimnis entgegenstehe, nicht zu überzeugen (hierzu unter b)). Den Erben steht richtigerweise – jedenfa...

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