Das Erbrecht differenziert nicht zwischen der "realen Welt" und der "digitalen Welt".[22] Es gibt kein Sonderrecht für digitale Lebensbereiche und schon gar kein "digitales Sondererbrecht".[23] Nach dem in § 1922 Abs. 1 BGB normierten Grundsatz der Universalsukzession geht mit dem Erbfall das gesamte Vermögen, mithin sämtliche Rechte und Verbindlichkeiten (vgl. § 1967 BGB), des Erblassers auf den Erben über.[24] Dieser tritt somit grundsätzlich vollumfänglich in sämtliche Rechtsbeziehungen des Erblassers zu Rechtsobjekten und Rechtssubjekten ein. Etwas anderes gilt nur im Hinblick auf höchstpersönliche Rechte des Erblassers (wie etwa das Namensrecht etc.) und Schuldverhältnisse mit überwiegendem Personenbezug. Erstere gehen in der Regel mit Tod des Erblassers unter.[25] Letztere sind dann nicht vererbbar, wenn damit – entsprechend dem Rechtsgedanken des § 399 BGB – aufgrund der besonderen Personenbezogenheit eine inhaltliche Veränderung der Leistungsbeziehung einhergeht.[26]

Im Hinblick auf den digitalen Nachlass bedeutet dies im Einzelnen:

Daten, die sich auf einem verkörpertem Speichermedium, welches im Eigentum des Erblassers stand befinden (bspw. Daten auf einem Speicherstick oder einer Festplatte, von einem Server abgerufene und auf dem PC des Erblassers gespeicherte E-Mails etc.), gehen mit dem Eigentum an dem Speichermedium unproblematisch nach § 1922 Abs. 1 BGB auf den Erben über.[27]

Im Hinblick auf Daten, die sich auf Servern einzelner Provider befinden (bspw. Daten in einer Cloud, nicht abgerufene E-Mails auf einem E-Mail-Server, Nachrichten und Inhalte eines Sozialen Netzwerks wie bspw. Xing, Facebook etc.), tritt der Erbe gemäß § 1922 BGB in die Vertragsbeziehungen des Erblassers zu den einzelnen Providern ein, sodass auch sämtliche sich daraus ergebenden Rechte und Pflichten (sowohl Haupt- als auch Nebenleistungspflichten) auf den Erben übergehen.[28] Dem Erben stehen daher die gleichen Rechte gegenüber dem Provider zu wie dem Erblasser und somit grundsätzlich auch das Recht auf Zugangseröffnung hinsichtlich sämtlicher Daten, welche sich auf dem Server einzelner Provider befinden.[29]

Davon geht im Grundsatz auch das KG aus.[30] Der digitale Nachlass fällt mithin unter den weiten Vermögensbegriff des § 1922 BGB[31] und ist grundsätzlich nicht anders zu behandeln wie der "klassische" Nachlass.[32]

[22] Solmecke/Köbrich/Schmitt, MMR 2015, 291.
[23] Alexander K&R 2016, 301, 302: "Vielmehr lässt sich die digitale Lebenswirklichkeit häufig sachgerecht mit Rechtsnormen bewältigen, die ursprünglich auf die "Analog"-Welt zugeschnitten sind."; vgl. auch Nagel, in: Specht / Lauber-Rönsberg/Becker, Medienrecht im Medienumbruch, 2017, S. 111, 127; Müller-Christmann, in: BeckOK BGB, 42. Ed., Stand 1.2.2017, § 1922 Rn 99.
[24] Vgl. Leipold, in: MüKo BGB, 7. Aufl. 2017, § 1922 Rn 16.
[25] Vgl. Leipold, in: MüKo BGB, 7. Aufl. 2017, § 1922 Rn 23; Hoeren, in: Schulze, BGB, 9. Aufl. 2017, Vorb. zu § 1922 Rn 1.
[26] Vgl. Leipold, in: MüKo BGB, 7 . Aufl. 2017, § 1922 Rn 23; Rohe, in: BeckOK, BGB, 42. Ed., Stand 1.2.17, § 399 Rn 4.
[27] So auch Herzog, NJW 3745, 3749; Martini, JZ 2012, 1145; Müller-Christmann, in: BeckOK, BGB, 42. Ed., Stand 1.2.17, § 1922 Rn 100.
[28] Vgl. Klas/Möhrke-Sobolewski, NJW 2015, 3473, 3474; Herzog, NJW 3745, 3746; Leipold, in: MüKo BGB, 7. Aufl. 2017, § 1922 Rn 25; Die teilweise vertreten Ansicht, dass die Inhaberschaft eines E-Mail-Accounts nicht vererblich sein soll (vgl. Bräutigam, in: Burandt/Rojahn, Erbrecht, 2. Auflage 2014; Anh. zu § 1922 Rn 5), ist abzulehnen: Bräutigam (aaO.) ist der Ansicht, dass diesbezüglich ein Vergleich zum Girokonto gezogen werden muss, bei welchem im Hinblick auf die Vererbbarkeit zwischen der höchstpersönlichen Inhaberschaft des Erblassers und dem Guthaben unterschieden werden müsse (nur letzteres soll auf den Erben übergehen). Es ist jedoch kein nachvollziehbarer Grund ersichtlich, warum man ein Giroverhältnis anders behandeln sollte, als jedes andere Vertragsverhältnis, welches der Erblasser begründet hat: Auch das Giroverhältnis geht nach § 1922 BGB vollumfänglich auf die Erben über (vgl. nur BGH, NJW 2000, 1258, 1259; NJW 1996, 190; Leipold, aaO; Herzog, NJW 2013, 3745, 3747).
[29] So auch Martini, JZ 2012, 1145, 1147.
[30] KG, BeckRS 2017, 111509, Rn 56: Grundsätzlich steht dem Erben nun derselbe Anspruch auf Zur-Verfügung-Stellung der "in seinem Account" gespeicherten Inhalte als Hauptleistungspflicht, wie zuvor dem Erblasser zu.“
[31] Vgl. hierzu Leipold, in: MüKo BGB, 7. Aufl. 2017, § 1922 Rn 19: Das Gesetz geht von der Vererbbarkeit des gesamten Vermögens des Erblassers aus. Etwas anderes gilt nur dann, wenn gesetzlich die Nichtvererbbarkeit vermögensrechtlicher Beziehungen geregelt ist (bspw. §§ 473 S.1; 514; 613 S.1; 673 S.1; 675; 1061 S. 1;1090 III; 1098 I; 1586 I; 1615 I BGB).
[32] Vgl. auch Herzog, in: DAV-Stellungnahme, S. 53; Salomon, NotBZ 2016, 324, 326.

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