Aufgrund der beschriebenen tatsächlichen wie rechtlichen Unzulänglichkeiten kann bereits die Einführung einer Soll-Vorschrift kritisch betrachtet werden. Jedenfalls würde sie aber schon ohne Beschwerdemöglichkeit genug Druck zur Nutzung der Videoverhandlung ausüben.

Hilfe statt Druck dürfte der bessere Weg sein. Zu begrüßen wäre es, wenn die Gerichtsverwaltungen erfragen würden, welche Spruchkörper keinen Gebrauch von der neuen Technik machen, und in individuellen Gesprächen nach den Ursachen forschen. "Totalverweigerer" dürften die absolute Ausnahme sein – nachvollziehbare Erwägungen und praktische Probleme (denen so besser abgeholfen werden könnte) die Regel. Wie so oft kann eine Gesetzesänderung allein nicht die Lösung sein, wenn vor Ort kein Personal vorhanden ist, um die Dinge umzusetzen. Der angenommene Kostenaufwand für den Betrieb von jährlich insgesamt 114.790 EUR für alle (!) Länderhaushalte, ist nicht nachvollziehbar und viel’zu gering bemessen.[104] Dieser Betrag dürfte maximal drei oder vier zusätzliche IT-Support-Arbeitsplätze[105] ermöglichen – für das ganze Bundesgebiet ein Tropfen auf den heißen Stein.

[104] Rebehn, DRiZ 2023, 8, 9, berichtet mit konkreten Beispielen davon, dass die Bundesländer der Einschätzung zum Kostenaufwand im Gesetzesentwurf entschieden entgegentreten sind und selbst bei grundlegender Hardware (Kamera und Mikrofon) bei vielen Gerichten noch erheblicher Nachholbedarf besteht.
[105] Allein Bremen rechnet mit Personalkosten für den Support von jährlich 250.000 EUR, vgl. Rebehn, DRiZ, 2023, 8, 9.

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