1. Satzungsänderungen und Auflösung der Stiftung

Die §§ 85, 85a BGB n.F. werden erstmalig einheitlich und abschließend die Voraussetzungen und das Verfahren für die Änderung von Stiftungssatzungen regeln.[15] Gerade hier gibt es bislang in Deutschland eine große Rechtszersplitterung aufgrund abweichender Regelungskonzepte der Bundesländer, die der Kritik eines verfassungsrechtlich ungeklärten Nebeneinanders von Bundes- und Landesrecht ausgesetzt waren.[16] Hinzu kommt, dass diese merkwürdige Gemengelage von Bundes- und Landesrecht manche Stiftungsaufsichtsbehörden zu einer Rechtsanwendungspraxis (ver-)führt, die bisweilen kreativ und losgelöst von gesetzlichen Vorgaben überraschende Ergebnisse zeigt. Es ist gut, wenn die Vereinheitlichung des Rechts zukünftig auch zur Vereinheitlichung der Genehmigungspraxis führt. Denn eine signifikante Neuerung liegt bereits im Genehmigungserfordernis: In manchen Bundesländern müssen derzeit nur besonders wichtige Satzungsänderungen genehmigt werden, wie z.B. Änderungen, die den Zweck betreffen, während weniger einschneidende Änderungen lediglich zu einer Anzeigepflicht dieser Änderung bei der Stiftungsaufsicht führen. Zukünftig muss jede Änderung der Stiftungssatzung gem. § 85a Abs. 1 S. 1 BGB n.F. von der zuständigen Landesbehörde genehmigt werden.[17]

[15] Schiffer/Pruns/Schürmann, Reform des StiftungsR, § 9 Rn 8; vgl. Schwalm, NotBZ 2022, 81, 81 f.; vgl. Schauer, npoR 2022, 54 (54); Schuck/Medinger, npoR 2021, 284, 285; Hüttemann/Rawert, ZIP Beil. H. 33, 2021, 3, 24.
[16] Winkler, ZStV 2021, 121, 122 m.w.N.
[17] Schiffer/Pruns/Schürmann, Reform des StiftungsR, § 9 Rn 10.

a) Die zukünftigen Voraussetzungen für Satzungsänderungen

Das neue Stiftungszivilrecht wird vier Änderungsszenarien kennen.

aa) Zweckaustausch oder Einschränkungen des Stiftungszwecks

Das Gesetz beginnt in § 85 Abs. 1 BGB n.F. mit der strengsten Voraussetzung, wonach die Stiftung einen anderen Zweck nur erhalten darf oder der Zweck der Stiftung erheblich beschränkt werden kann, wenn der Stiftungszweck (1) nicht mehr dauernd und nachhaltig erfüllt werden kann oder (2) das Gemeinwohl gefährdet.[18] Das Gesetz sieht die Voraussetzungen für die erste Variante als gegeben an, wenn eine Stiftung keine ausreichenden Mittel für die nachhaltige Erfüllung des Stiftungszwecks hat und solche Mittel in absehbarer Zeit auch nicht erwerben kann. Anders als noch im Regierungsentwurf vorgesehen, hat der Gesetzgeber darauf verzichtet, die Unmöglichkeit der Erfüllung des Stiftungszwecks zu verlangen.[19] Damit wird es zukünftig mehr Flexibilität und einen Beurteilungsspielraum geben. Sofern der Vorstand also belegen kann, dass das ursprüngliche "Lebensfähigkeitskonzept" mit diesem Zweck nicht mehr nachhaltig verfolgt werden kann, ist eine Änderung oder eine Beschränkung des Stiftungszwecks möglich.[20]

 

Praxistipp:

Wenn der Stifter in der Stiftungssatzung kein Rangverhältnis der Stiftungszwecke regeln möchte oder kann, kommt es auf den mutmaßlichen Stifterwillen an. Es bietet sich an, entweder in der Satzung oder außerhalb der Satzung niederzuschreiben, wie der Vorstand verfahren soll, wenn sich später erweist, dass nicht alle Zwecke dauerhaft erfolgreich verfolgt werden können. Die bisherigen Erfahrungen mit der Reform zeigen, dass die Aufsichtsbehörden im Rahmen der Modernisierung der Stiftungssatzung sich offen zeigen, eine Anpassung der zu verfolgenden Zwecke vorzunehmen, etwa auch einen Zweck zu beschränken oder zu streichen, um dadurch der Stiftung zu ermöglichen, ihre Mittel wirkungsvoller einzusetzen.

[18] Auf die Möglichkeit zur Umwandlung in eine Verbrauchsstiftung, wenn der Stiftungszweck nicht mehr dauerhaft und nachhaltig erfüllt werden kann, § 85 Abs. 1 S. 4 BGB n.F., wird unten eingegangen.
[19] Hierzu Schiffer/Pruns/Schürmann, Reform des StiftungsR, § 9 Rn 15.
[20] Ausführlich hierzu Hüttemann/Rawert, ZIP Beil. H. 33, 2021, 3, 24 f., dort auch zu den Beschränkungen des Stiftungszwecks; Schauer, npoR 2022, 54, 55, weist zutreffend auf die Schwierigkeiten hin, wenn eine Stiftung mehrere Zwecke hat und zu entscheiden ist, ob bei einer Zweckbeschränkung der strengere § 85 Abs. 1 BGB n.F. oder der etwas einfachere § 85 Abs. 2 BGB n.F. vorliegt.

bb) Andere Zweckänderungen oder Änderung prägender Bestimmungen

Weniger strenge Voraussetzungen für eine Satzungsänderung sieht § 85 Abs. 2 BGB n.F. vor. Denn danach können der Stiftungszweck oder andere sog. prägende Bestimmungen der Stiftungsverfassung (!) geändert werden, wenn sich die Verhältnisse nach Errichtung der Stiftung wesentlich verändert haben und eine solche Änderung erforderlich ist, um die Stiftung an die veränderten Verhältnisse anzupassen. Als prägend sollen gem. § 85 Abs. 2 S. 2 BGB n.F. regelmäßig der Name der Stiftung, der Sitz, die Art und Weise der Zweckerfüllung und die Verwaltung des Grundstockvermögens gelten.[21] Zweckänderungen i.S.v. Abs. 2 sind solche, die nicht schon unter § 85 Abs. 1 BGB n.F. fallen,[22] was nach der Gesetzesbegründung solche Zweckänderungen sind, die nicht die Identität der Stiftung berühren.[23] Spannend wird sein, wie die Stiftungsaufsicht, die jede Änderung der Satzung wird genehmigen müssen, die Voraussetzung "wesentliche Veränderung der Verhältnisse" im Ra...

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