Leitsatz

Gehören zum Nachlass Wertpapiere, auf die bis zum Todeszeitpunkt des Erblassers noch nicht fällige Zinsansprüche aus Stückzinsen entfallen, so fließen den Erben insoweit später nach § 20 iVm § 11 EStG steuerpflichtige Kapitaleinkünfte zu. Dass die auf diese zum Zeitpunkt des Erbfalls noch nicht fälligen Zinsansprüche entfallende latente Einkommensteuerbelastung nicht als bzw. wie eine Nachlassverbindlichkeit iSd § 10 Abs. 5 ErbStG anerkannt werden kann, verstößt auch nach Wegfall des § 35 EStG aF (aufgehoben ab dem Veranlagungszeitraum 1999) weder gegen grundlegende Besteuerungsprinzipien der Erbschaftsbesteuerung noch gegen Verfassungsrecht.

FG München, Urteil vom 18. Februar 2009 – 4 K 1131/07

Sachverhalt

Die Beteiligten streiten über die erbschaftsteuerrechtliche Berücksichtigung einer latenten Einkommensteuerbelastung auf vererbte Zinsansprüche als bzw. wie eine Nachlassverbindlichkeit iSd § 10 Abs. 5 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetztes (ErbStG).

Der am 20. Dezember 2001 verstorbene Dr. P. L. (im Folgenden: Erblasser) wurde von seinem Bruder Dr. G. L. – dem Kläger – allein beerbt. Im Nachlass befanden sich u. a. Wertpapiere mit einem Kurswert zum Todeszeitpunkt des Erblassers iHv insgesamt 11.972.741,00 DM, auf die bis zum Todeszeitpunkt des Erblassers noch nicht fällige Zinsansprüche aus Stückzinsen iHv 190.354,00 DM entfielen. In seiner Erbschaftsteuererklärung vom 1. November 2002 erklärte der Kläger u. a. Nachlassverbindlichkeiten iHv 97.398,00 DM (= 49.798,80 EUR), die aus der Einkommensbesteuerung auf die bis zum Todeszeitpunkt des Erblassers aufgelaufenen, jedoch erst später fälligen Zinsansprüche aus o. g. Wertpapieren in der Person des Klägers resultierten.

Der Beklagte (das Finanzamt – FA –) setzte mit gem. § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehendem Erbschaftsteuerbescheid vom 8. November 2002 die Erbschaftsteuer iHv 4.578.528,00 DM (= 2.340.964,19 EUR) fest, wobei die latente Einkommensteuerbelastung bezüglich der vom Kläger durch Erbanfall erworbenen o. g. Zinsansprüche nicht als Nachlassverbindlichkeit anerkannt wurde. Die entsprechende Berücksichtigung unterbleib auch in den weiterhin gem. § 164 Abs. 1 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden geänderten Erbschaftsteuerbescheiden vom 29. November 2002, vom 20. Dezember 2002 und vom 27. Oktober 2003. Im zuletzt erlassenen und gem. § 164 Abs. 2 AO geänderten Erbschaftsteuerbescheid vom 20. September 2004 erkannte das FA erneut die latente Einkommensteuerbelastung auf die zum Todeszeitpunkt des Erblassers noch nicht fälligen Zinsansprüche nicht als bereicherungsmindernde Nachlassverbindlichkeit an und setzte die Erbschaftsteuer iHv 4.792.544,00 DM (= 2.450.388,84 EUR) fest.

Mit Schreiben vom 13. Oktober 2004 legte der Kläger hiergegen Einspruch ein, den das FA mit Einspruchsentscheidung vom 8. März 2007, in der unter Verböserung des angefochtenen Erbschaftsteuerbescheids vom 20. September 2004 die Erbschaftsteuer auf 4.794.240,00 DM (= 2.451.255,99 EUR) heraufgesetzt wurde, als unbegründet zurückwies. Zur Begründung führte das FA u. a. aus, dass die latente Einkommensteuerbelastung auf die zum Todeszeitpunkt noch nicht fälligen Zinsansprüche keine Nachlassverbindlichkeit iSd § 10 Abs. 5 ErbStG darstelle, da es sich insoweit nicht um Schulden des Erblassers handele.

Mit Schriftsatz vom 31. März 2007 – bei Gericht eingegangen am 2. April 2007 – erhob der Kläger hiergegen Klage. (...)

Aus den Gründen

1. Die Klage ist zulässig. Sie wurde insbesondere fristgerecht erhoben.

2. Die Klage ist jedoch unbegründet. Das FA hat zu Recht die auf die von Todes wegen erworbenen Zinsansprüche entfallende latente Einkommensteuerbelastung iHv 97.397,00 DM (= 49.798,30 EUR) nicht als bzw. wie eine Nachlassverbindlichkeit iSd § 10 Abs. 5 ErbStG berücksichtigt.

a) Die Besteuerung eines Erwerbs von Todes wegen iSd § 1 Abs. 1 Nr. 1 iVm § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG folgt dem Bereicherungsprinzip als allgemeinem Besteuerungsgrundsatz des ErbStG. Nach diesem Prinzip zielt der erbschaftsteuerliche Zugriff auf die gesteigerte Leistungsfähigkeit des Erwerbers infolge eines unentgeltlichen Vermögenszuwachses (vgl. z. B. Moench in Moench, ErbStG, Einführung Rn 2). Nach dem Stichtagsprinzip des § 11 ErbStG ist für die Ermittlung des konkreten Werts der Bereicherung grundsätzlich der Zeitpunkt der Entstehung der Steuer maßgebend, d. h., Maßstab des steuerlichen Zugriffs ist die Erhöhung des Vermögensbestands zu einem bestimmten Zeitpunkt, zu dem ein unentgeltlicher Erwerbsvorgang abgeschlossen ist (vgl. z. B. Gebel in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 11 Rn 10). Diese Konzeption der Steuerbemessung nach einer stichtagsbezogenen Wertermittlung lässt zwar einerseits eine Änderung der Bemessungsfaktoren in Form einer Änderung der Bereicherung des Erwerbers nach dem Stichtag unberücksichtigt. Andererseits ist die Einschränkung des Bereicherungsprinzips durch das Stichtagsprinzip eine sachgerechte Notwendigkeit des Besteuerungskonzepts des ErbStG, das einen steuerl...

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