1. Das Verbot der §§ 134, 2220 BGB geben für die Auslegung des § 2216 BGB in unserem Fall keine Richtung vor. Denn die Entscheidung des Erblassers, eine Testamentsvollstreckung mit oder ohne Anordnung nach § 2216 Abs. 2 S. 1 BGB zu verfügen, ist nach der gesetzlichen Wertung gleichwertig. Für den Testamentsvollstrecker bedeutet dies, dass auch beide Auslegungsergebnisse vom Gesetz gedeckt sind: aufgrund der Gleichwertigkeit von § 2216 Abs. 1 BGB einerseits und § 2216 Abs. 2 S. 1 BGB andererseits scheidet eine Gesetzesumgehung mittels ergänzender Auslegung aus. § 2216 Abs. 2 S. 1 BGB ist gegenüber § 2216 Abs. 1 BGB weder die speziellere Norm und vorrangig noch nachrangig als die nur zurückhaltend anzuwendende Ausnahmevorschrift. Das Umgehungsverbot des § 2220 BGB ge- oder verbietet kein bestimmtes Auslegungsergebnis.
  2. Daher ist die Begründung der h.M. im Eingangsbeispielmethodisch nicht überzeugend. Die h.M. verneint methodisch gesehen die Gleichwertigkeit der Normen. Zudem wird gegen den Grundsatz des erbrechtlichen Typenzwangs verstoßen: für eine von ihm gewünschte Rechtsfolge muss sich der Erblasser der rechtlichen Instrumente und Wege bedienen, die das Erbrecht hierfür zur Verfügung stellt.[45] Und eine Anordnung nach § 2216 Abs. 2 S. 1 BGB liegt eben nicht vor.[46] Jedenfalls in dieser speziellen Hinsicht wird man einen Typenzwang annehmen können,[47] weil § 2220 BGB auch Struktur und Aufbau des § 2216 BGB schützt.[48]
  3. Die methodische Gleichwertigkeit von § 2216 Abs. 1 BGB und § 2216 Abs. 2 S. 1 BGB ist materiell-rechtlich gleichwertig auch im Sinne des Beweisrechts. § 2216 BGB enthält keine von den allg. Regeln abweichende Darlegungs- und Beweislastregel. Jeweils derjenige, der sich auf eine für ihn günstige Rechtsfolge, sei es rechtsbegründend bzw. –erhaltend oder rechtsvernichtend bzw. –hemmend, berufen will, hat dies substantiiert darzulegen und zu beweisen. Soll in einem Prozess zu § 2219 BGB aus einer missachteten oder schlechterfüllten Anordnung nach § 2216 Abs. 2 S. 1 BGB die Pflichtverletzung des Testamentsvollstreckers als Beklagten folgen, muss der Kläger Existenz und Inhalt der Anordnung darlegen und beweisen; soll die Anordnung dem behaupteten schuldhaften Fehlverhalten entgegenstehen, steht der Testamentsvollstrecker als Beklagter in der Darlegungs- und Beweislast.[49]
[45] Coing,ErbR, 14. Bearb. 1990, § 20 I; Muscheler, ErbR Band I, § 13 Rn 331; MünchKomm/Leipold, BGB, § 1937 BGB Rn 10 m.w.N.
[46] BayObLG v. 30.9.1999 – 1Z BR 142/98, ZEV 1999, 458, NJW-RR 2000, 298 (Rn 43 der Gründe): "Da die Befugnisse des Testamentsvollstreckers als Treuhänder auf dem Willen des Erblassers beruhen, kann auch nur dieser in Form der letztwilligen Verfügung Weisungen für die Führung seines Amtes erteilen, wie sich vor allem aus § 2216 Abs. 2 S. 1 BGB ergibt (BGHZ 25, 275/279)."
[47] Nach h.M. gilt für die §§ 2197 ff. BGB der Typenzwang nicht im strengen Sinne. Vielmehr lässt das Gesetz dem Erblasser große Wahlmöglichkeiten in bestimmten gesetzlichen Grenzen und stellt Arten (Typen) von Testamentsvollstreckungen mit Rechtsfolgen zur Verfügung, um die sich der Erblasser dann nicht mehr eigens kümmern muss; Bamberger/Roth/Hau/Posseck/Lange, BGB, § 2197 BGB Rn 3 f. Holtz sieht den Typenzwang darin, dass diese "vorgegebenen Anordnungstypen" für den Erblasser bindend sind; Holtz, Gestaltung einer Testamentsvollstreckung vor und nach dem Tod des Erblassers, S. 62-66 (das Zitat auf S. 62). Anders Storz, der den Typenzwang (im Sinne Coings) für die §§ 2197 ff. BGB ablehnt vor allem aufgrund der weiten Testierfreiheit gemäß § 2208 Abs. 1 S. 1 BGB; Storz, Autonomie und Heteronomie des Testamentsvollstreckers, S. 159-164.
[48] Dazu Schmidl, ZErb 2020, 196, 199 f.
[49] Reimann, ZEV 2006, 186, 187 f.; zu den allg. Grundsätzen bei § 2219 BGB vgl. BGH v. 23.5.2001 – IV ZR 64/00, ZErb 2001, 181.

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