Auf einen Blick

Ist unklar, ob es eine Anordnung nach § 2216 Abs. 2 S. 1 BGB gibt oder nicht, kann die Auslegung zu entgegengesetzten Ergebnissen und Rechtsfolgen führen. § 2216 BGB i.V.m. § 2220 BGB ist ein Verbotsgesetz mit Umgehungsverbot (§ 134 BGB), das grundsätzlich auch für die ergänzende Auslegung gilt bzw. gelten könnte. Erblasserwille und Testierfreiheit können in § 2216 BGB in zwei Alternativen verwirklicht sein: in § 2216 Abs. 1 BGB mit einer Testamentsvollstreckung ohne Anordnung nach § 2216 Abs. 2 S. 1 BGB oder (zusätzlich) durch die Anordnung nach § 2216 Abs. 2 S. 1 BGB. Wäre nun § 2216 Abs. 2 S. 1 BGB entweder eine gegenüber § 2216 Abs. 1 BGB vorrangige Spezialnorm oder nachrangig als Ausnahmevorschrift, so könnte das Umgehungsverbot ein gefundenes Auslegungsergebnis verbieten. § 2216 Abs. 2 S. 1 BGB ist jedoch weder vorrangige Spezialnorm noch nachrangige Ausnahmevorschrift. Denn Sinn und Zweck des § 2216 BGB ist die Umsetzung der Testierfreiheit, die von Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG umfassend geschützt ist und auch die Entscheidung des Erblasser deckt, auf eine Anordnung nach § 2216 Abs. 2 S. 1 zu verzichten: § 2216 Abs. 1 BGB und § 2216 Abs. 2 S. 1 BGB sind insoweit materiell-rechtlich und methodisch gleichwertig. Daher enthält § 2216 BGB kein Umgehungsverbot für die ergänzende Auslegung zur Frage, ob eine Anordnung nach § 2216 Abs. 2 S. 1 BGB vorliegt oder nicht. Das gefundene Auslegungsergebnis verstößt nicht gegen das Umgehungsverbot. Die Rechtsprechung bestätigt dies zumindest indirekt. Dass bei der Dauer- oder Verwaltungsvollstreckung ohne eine Anordnung nach § 2216 Abs. 2 S. 1 BGB allein der mutmaßliche Erblasserwille einen Anspruch auf Auskehr von Nutzungen oder Erlösen begründen könnte, ist methodisch kaum zu begründen. Aufgrund der Gleichwertigkeit von § 2216 Abs. 1 BGB und § 2216 Abs. 2 S. 1 BGB gelten die allgemeinen Regeln der Darlegungs- und Beweislast.

Autor: von Dr. Stephan Schmidl, Rechtsanwalt, Traunstein

ZErb 6/2021, S. 211 - 217

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