Die Klage ist unbegründet. Ungeachtet der Frage, ob der Kläger etwaige Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche des Leistungsberechtigten wirksam auf sich überleiten konnte, steht dem Kläger der klageweise im Rahmen der Stufenklage mit dem Antrag zu 1. geltend gemachte Auskunftsanspruch nicht zu. Der Leistungsberechtigte ist auf der Basis des Testaments vom 17.12.2000 Erbe geworden. Er ist kein Pflichtteilsberechtigter im Sinne von § 2314 BGB.

Das Testament vom 17.12.2000 verstößt nicht gegen § 138 Abs. 1 BGB und hat rechtlichen Bestand. Was die grundsätzliche Zulässigkeit und Wirksamkeit des sog. Behindertentestaments angeht, verweist das Gericht auf die von beiden Parteien zitierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, schließt sich dessen Auffassung an und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auch auf die zitierten Begründungen der entsprechenden Entscheidungen Bezug.

Der Auffassung des Klägers, es handele sich bei der hier im Streit befindlichen Konstellation um einen Ausnahmefall im Sinne der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 21.3.1990 und 20.10.1993, weil der Grundsatz des Nachrangs der Sozialhilfe (Subsidiaritätsprinzip) in einem gegen die guten Sitten verstoßenden Bereich unterlaufen werde, ist nicht zu folgen. Zutreffend ist, dass der Bundesgerichtshof in den genannten Entscheidungen Ausnahmen von der Unbedenklichkeit des Behindertentestaments zumindest nicht ausgeschlossen hat. Allerdings hält das Gericht die hierfür angedachten Kriterien nicht für hinreichend greifbar und geeignet. Ob es sich um ein "beträchtliches" Vermögen handelt, unterliegt je nach dem Blickwinkel des Betrachters einer rein subjektiven Bewertung; ob der im vorliegenden Fall im Raume stehende Nachlasswert von noch unter einer Million Euro schon an sich hierfür ausreicht, erscheint zumindest als stark zweifelhaft. Auch das zweite von Klägerseite angeführte Kriterium, dass der Pflichtteil des Behinderten so groß wäre, dass daraus – oder sogar nur aus den Früchten – seine Versorgung sichergestellt wäre, erscheint dem Gericht nicht als geeignet, um die Sittenwidrigkeit des Testaments festzustellen. Zum einen zeigt der Hinweis auf die Früchte ("sogar nur"), dass der Wert des Nachlasses und, damit des Pflichtteils, in einer Größenordnung liegen muss, die die Verhältnisse im vorliegenden Fall erheblich übersteigt. Zum anderen erscheint es als höchst zweifelhaft, die Frage des Ausmaßes der Sicherstellung der Versorgung durch den Pflichtteil überhaupt zur Abgrenzung der Sittenwidrigkeit von der Wirksamkeit des Behindertentestaments heranzuziehen. Denn letztlich findet, sowohl bei großen Vermögen und Nachlässen als auch schon bei solchen im "kleineren" Bereich im Rahmen der Nachlassregelungen durch ein sog. Behindertentestaments, immer eine Benachteiligung des Trägers der Sozialhilfe durch die Ausnutzung der privatrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten statt. Dieses mag man als tragbar oder als missbilligenswert (im Sinne eines "Austricksens" des Sozialhilfeträgers) erachten. Letztlich handelt es sich mehr um eine (rechts-)politische Entscheidung als um die Anwendung einer zivilrechtlichen Norm, je nach Größe und Umfang des drohenden Schadens. Wenn die Ausnutzung der Gestaltungsmöglichkeiten (aus guten Gründen vom Bundesgerichtshof gebilligt) aber nicht im Ganzen verstellt werden soll, muss dieses dann auch flächendeckend erfolgen, um nicht den Eindruck zu erwecken, es solle ab einer bestimmten Größenordnung versteckt eine Art Vermögenssteuer erhoben werden.

Auf der Grundlage der vorstehenden Ausführungen erweist sich auch das Feststellungbegehren (Klageantrag zu 4.) als nicht gerechtfertigt. Der Leistungsberechtigte ist als Erbe und nicht als pflichtteilsberechtigte Person anzusehen.

Da mit der vorstehenden Entscheidung und Abweisung der Klageanträge zu 1. und 4. eine Entscheidung über weiteren Anträge (Stufen Nr. 2 und Nr. 3) hinfällig geworden ist, ist der Rechtsstreit mit dem vorliegenden Urteil in dieser Instanz insgesamt abzuschließen. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 709 ZPO.

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