Sollte die Rechtsprechung des BGH Bestand haben, ist ab jetzt immer ein Sachverständigengutachten erforderlich, wenn keine gütliche Einigung gefunden wird. Es ist immer möglich, dass die Lebensversicherung einen Wert hat, der über dem Rückkaufswert liegt. Die Kosten tragen der Nachlass (§ 2314 II BGB) und damit überwiegend die Erben.

Eine weitere interessante Frage ist, nach welchen Maßstäben der Sachverständige die Lebensversicherung bewertet. Nach dem BGH sollen dabei subjektive individuelle Faktoren des Erblassers wie Krankheit oder Kräfteverfall keine Rolle spielen.[26] Wo steht das? Der BGH schreibt diese folgenschwere Behauptung in den viertletzten Absatz seiner Entscheidung, ohne sie zu begründen. Eine Begründung findet sich im Aufsatz von Rudy: "Solche Daten dürfen nicht zur Grundlage für makabre Spekulationen über einen aus diesen Gründen gesteigerten Wert der Todesfallversicherung gemacht werden."[27] Aber genau diese Erwägungen sind wirtschaftlich vernünftig, wenn ein Versicherungskäufer darüber entscheiden muss, ob er eine solche Versicherung kauft. Nur diese Erwägungen führen ja zu einem höheren Verkehrswert der Lebensversicherung. Die anzustellenden Erwägungen erinnern an eine Grenzwertberechnung in der Mathematik. Wir kommen dem Tod immer näher, ohne ihn zu erreichen. Der Erblasser befindet sich also zum Beispiel im freien Fall aus luftiger Höhe. Sein Abstand zum Boden ist unendlich klein. Aus den Vertragsdaten, der Anfangshöhe des Sturzes und der Beschaffenheit des Untergrundes müsste ermittelt werden, wie wahrscheinlich es ist, dass der Erblasser den Sturz nicht überlebt und damit einen Gewinn aus der Lebensversicherung realisiert. Dabei ist ein Abschlag von der Versicherungssumme vorzunehmen, weil der Aufkäufer Gewinn erzielen will und der Erblasser den Sturz ja doch überleben könnte.

Diskussionen in verschiedenen Internetforen zeigen, dass die Entscheidungen schwere Schatten werfen. So taucht die Frage auf, was bei einer reinen Risikolebensversicherung ohne Rückkaufswert gelten soll. Geht der Pflichtteilsberechtigte dort leer aus?

[26] BGH, Urteil vom 28.4.2010 – IV ZR 73/08 – Rn 52; BGH, Urteil vom 28.4.2010 – IV ZR 230/08 – Rn 53.
[27] Rudy, ZErb 2010, 351 (353).

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