Nach § 30 ErbStG ist jeder der Erbschaftsteuer unterliegende Erwerb im Sinne von § 1 ErbStG anzeigepflichtig. Bestehen Zweifel daran, ob ein Vorgang steuerpflichtig ist, bleibt der Erwerber zur Anzeige verpflichtet. Es genügt bereits die Möglichkeit einer Steuerpflicht.[5] Hat der zur Anzeige verpflichtete Zweifel an der Steuerpflicht oder hält er den Erwerb für steuerfrei, so wird er dadurch von der Anzeigepflicht nicht entbunden. Die Entscheidung darüber, ob ein Vorgang erbschaftsteuerpflichtig ist, steht allein dem Finanzamt zu.[6] Danach sind selbst übliche Gelegenheitsgeschenke zu Weihnachten oder zum Geburtstag anzeigepflichtig.[7][8] Aus meiner über 25-jährigen Tätigkeit und Erfahrung mit Erbschaft- und Schenkungsteuer kann ich sagen, dass in der Praxis übliche Gelegenheitsgeschenke fast nie angezeigt worden sind. Aus der Sicht einer dünnen Personaldecke in den Finanzämtern erscheint das auch sinnvoll, denn anderenfalls würden die Bearbeiterinnen und Bearbeiter in einem Meer von Anzeigen ertrinken, die aber zu keinem einzigen Cent Steuereinnahmen führen würden. Viel wichtiger erscheint es mir, die Aufmerksamkeit auf steuerlich relevante Vorgänge zu lenken.
[6] RFH vom 20.12.1933 – IV A 310/33, RStBl 1934, S. 32.
[7] Kien-Hümbert in Moench, Kommentar zum ErbStG, Rn 3 zu § 30 ErbStG, geht das zu weit, sie plädiert dafür, die Vorschrift nicht nach dem Wortlaut, sondern nach dem Sinn und Zweck auszulegen.
[8] Pahlke in Christoffel, Geckle, Pahlke § 30 Rn 7 widerspricht Kien-Hümbert und ist für eine weite Auslegung.

1.01 Wer ist anzeigepflichtig?

Bei Erwerben von Todes wegen nach (§ 3 ErbStG) ist der Erwerber anzeigepflichtig (§ 30 Abs. 1 ErbStG). Erwerber ist, wer einen Erwerb von Todes wegen oder eine lebzeitige Zuwendung erhalten hat.
Bei Zweckzuwendungen (§ 8 ErbStG) ist der Beschwerte anzeigepflichtig (§ 30 Abs. 1 ErbStG)
Bei einem Rechtsgeschäft unter Lebenden (§ 7 ErbStG) ist zur Anzeige auch derjenige verpflichtet, aus dessen Vermögen der Erwerb stammt (§ 30 Abs. 2 ErbStG). In diesem Fall gibt es also zwei Personen, die zur Anzeige verpflichtet sind. Kien-Hümbert[9] vertritt die Auffassung, dass der Anzeigepflicht genüge getan ist, wenn einer der Beteiligten ihr nachgekommen ist. Das ergibt sich mE nicht aus dem Gesetzestext, macht aber Sinn, denn entscheidend ist ja, dass das Finanzamt von der Schenkung überhaupt erfährt und seine Konsequenzen daraus ziehen kann.
[9] Kien-Hümbert in Moench, Kommentar zum ErbStG, Rn 6 zu § 30 ErbStG.

1.02 Was ist, wenn mehrere Erwerber vorhanden sind?

Sind mehrere Erwerber an einem Erwerb beteiligt, ist jeder einzelne Erwerber anzeigepflichtig. Ist einer der Beteiligten seiner Anzeigepflicht tatsächlich nachgekommen und haben die übrigen Beteiligten davon positive Kenntnis, sind sie nach Auffassung von Kien-Hümbert von ihrer Pflicht zur Anzeige entlastet.[10] Das darf mE aber nur dann gelten, wenn der eine Beteiligte auch gleichzeitig die Erwerbe der übrigen Beteiligten mit angezeigt hat.
[10] Kien-Hümbert in Moench, Kommentar zum ErbStG, Rn 2 zu § 30 ErbStG.

1.03 Welche Angaben soll die Anzeige enthalten?

a) Vorname, Familienname, Beruf, Wohnung des Erblassers oder Schenkers und des Erwerbers (§ 30 Abs. 4 Nr. 1 ErbStG).
b) Todestag und Sterbeort des Erblassers oder Zeitpunkt der Ausführung der Schenkung (§ 30 Abs. 4 Nr. 2 ErbStG).
Gegenstand und Wert des Erwerbs (§ 30 Abs. 4 Nr. 3 ErbStG).
Rechtsgrund des Erwerbs wie gesetzliche Erbfolge, Vermächtnis, Ausstattung (§ 30 Abs. 4 Nr. 4 ErbStG).
Persönliches Verhältnis des Erwerbers zum Erblasser oder Schenker wie Verwandtschaft, Schwägerschaft, Dienstverhältnis (§ 30 Abs. 4 Nr. 5 ErbStG).
Frühere Zuwendungen des Erblassers oder Schenkers an den Erwerber nach Art, Wert und Zeitpunkt der einzelnen Zuwendung (§ 30 Abs. 4 Nr. 6 ErbStG).

1.04 Wann ist keine Anzeige erforderlich?

Einer Anzeige bedarf es nach § 30 Abs. 3 ErbStG nicht, wenn

– eine Schenkung unter Lebenden oder

– eine Zweckzuwendung

gerichtlich oder notariell beurkundet worden ist (§ 30 Abs. 3 ErbStG).

Eine Anzeige ist auch dann nicht erforderlich, wenn der Erwerb in anderer Weise, z. B. durch die Steuererklärung beteiligter Miterben, bekannt geworden ist.[11]

Einer Anzeige bedarf es nach § 30 Abs. 3 ErbStG außerdem dann nicht, wenn der Erwerb auf einer von einem

– deutschen Gericht

– deutschen Notar oder

– deutschem Konsul

eröffneten Verfügung von Todes wegen beruht und sich aus der Verfügung das Verhältnis des Erwerbers zum Erblasser unzweifelhaft ergibt, aber es sind die unter 1.05.) genannten Ausnahmen zu beachten. Das gilt auch dann, wenn der Erbe nachträglich einen Fund von Nachlassgegenständen macht und die Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht über den Nachlasswert insoweit unrichtig ist.[12]

1.05 Wann hat trotz der in Nr. 4 genannten Voraussetzungen eine Anzeige zu erfolgen (Rückausnahme)?

Obwohl der Erwerb auf einer von einem

– deutschen Gericht

– deutschen Notar oder

– deutschem Konsul

eröffneten Verfügung von Todes wegen beruht und sich aus der Verfügung das Verhältnis des Erwerbers zum Erblasser unzweifelhaft ergibt, hat nach dem Erb...

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